: Den Sprung ins kalte Wasser wagen
Zum zweiten Mal findet auf Kampnagel die Theaternachwuchs-Plattform „Freischwimmer“ statt.Sechs Produktionen junger TheatermacherInnen aus vier Städten sind nächste Woche zu sehen
Um das begehrte bronzene Jugend-Schwimm-Abzeichen stolz auf der Badehose tragen zu dürfen, muss man sich trauen, vom Beckenrand zu springen und mindestens 200 Meter zu schwimmen. Außerdem muss man zwei Meter tief tauchen können und die Baderegeln beherrschen. Ähnliches gilt für die von Kampnagel, den Berliner Sophiensaelen, dem Düsseldorfer FFT und dem Zürcher Theaterhaus Gessnerallee gemeinsam veranstaltete Theaternachwuchs-Plattform „Freischwimmer“, die nun zum Abschluss ihrer Tournee durch alle vier Theater in die Hamburger Kampnagelfabrik kommt.
Den Sprung auf die Bretter, die die Welt bedeuten, wagen sechs Produktionen aus jenen vier Städten, die allesamt in einem für alle Produktionen verbindlichen Raumkonzept nebst Lichtinstallation des Lichtdesigners und Bühnenbildners Ulrich Schneider gespielt werden.
Der Hamburger Dariusch Yazdkhasti – der als 9-Jähriger mit seiner Familie den Iran verlassen hat – beschäftigt sich in seinem Stück „Exil“ mit den Themen Aufbruch als Flucht, Reise als Zustand und Heimkehr als sich nie erfüllende Sehnsucht. Das Exil ist für ihn eine Metapher für den Grundzustand unserer Gegenwart, der Exilant ein Mensch, dem eine Form von Gegenwart abhanden gekommen ist.
Simone Eisenring und Milo Rau aus Zürich werfen in ihrer Produktion „Bei Anruf Avantgarde!“ einen Blick ins protzige Klassenbuch der Revolutionäre. Die Musterschüler der Revolte – von Pol Pot über Trotzki und Beuys bis zu Debord – werden zum Interview geladen und zu seltsamen Spielchen animiert.
Der Berliner Martin Clausen erforscht zusammen mit der Gruppe „Two Fish“ das performative Potenzial des Planens. Wie wird das, was ich mir vornehme? Und warum wird das so?
In Melanie Mohrens und Bernhard Herbordts „wonderland“ erobert das immer Vergessene und Abwesende die Bühne. Besucht werden Orte, die von der Globalisierung vergessen wurden, Spezialisten, für die es keine Stellenangebote gibt und Utopien, die keinen Marktwert haben.
Den Orpheus-Mythos von einer anderen Seite, nämlich aus der Sicht der Eurydike, befragt Anna Malunat in „Ich habe dich immer nur geliebt“. Mit Toncollagen und Videomaterial spielt sie mit dem Wunsch nach eindeutigen Bildern und durchgängigen Biographien.
Kerstin Lenhart und Michael Böhler aus Berlin schließlich inszenieren Felicia Zellers „Bier für Frauen“: eine 125 Seiten starke Materialsammlung mit Kommunikationssequenzen, die sie beim Belauschen Bier trinkender Frauen und in eigener Recherche gesammelt hat. Ihre Bedingung für die Inszenierung: Auf der Bühne darf kein Bier getrunken werden… ROBERT MATTHIES
Exil: Samstag, 6.5., 21 UhrBei Anruf Avantgarde: Samstag 6.5., 19.30 Uhrwonderland: Dienstag, 9.5., 19.30 Uhr und Mittwoch, 10.5., 21 UhrKann man können wollen: Dienstag, 9.5., 21 Uhr und Mittwoch, 10.5., 19.30 UhrBier für Frauen: Freitag, 12.5., 19.30 Uhr und Samstag, 13.5., 21 UhrIch habe dich immer nur geliebt: Freitag, 12.5., 21 Uhr und Samstag, 13.5., 19.30 Uhr