Zauberwald Volksbühne: Heilige Platte
Die Geschichte der Folksängerin Vashti Bunyan ist nicht alltäglich, deswegen bekommt man sie bei ihrem ersten Konzert in Berlin überhaupt vor ihrem Auftritt in der Volksbühne in Form eines Dokumentarfilms noch einmal erzählt.
Vashti Bunyan geht vor der Kamera erneut die Stationen ihres Wanderlebens in den Sechzigern ab. Unterwegs war sie mit ihrem Mann in der kargen, menschenleeren Landschaft der schottischen Hebriden, wo sie ein echtes Aussteigerleben führte. Ein kurioses Hippiewesen war sie, das zwischendurch eine Platte in London aufnahm, die Anfang der Siebziger niemand hören wollte und die inzwischen als Blaupause gilt für alles, was sich heute „Neofolk“ nennt. Der Szenestar Devendra Banhart nennt „Just another diamond day“, dieses 40 Jahre alte Monument intim-schratiger Songpoesie, das so lange vergessen war, gar eine „heilige Platte“, und so wie er das in der Dokumentation sagt, will er das ganz offensichtlich wortwörtlich verstanden wissen. Man ist nach dem Film also gut vorbereitet für den Auftritt einer äußerst ungewöhnlichen Frau, um die es 35 Jahre lang still war und die erst auf Anregung junger Fans wie der New Yorker Band Animal Collective wieder Musik macht, Platten aufnimmt und vor Publikum auftritt. Doch das Konzert ist noch bezaubernder, als man sich das erhofft hatte und die Volksbühne verwandelt sich schlagartig in einen Zauberwald.
Vashti Bunyan führt jeden einzelnen ihrer alten und neuen Songs mit kurzen Anekdoten ein. Ihre Stimme klingt immer noch genau so märchenhaft wie damals, und wie sie es schafft, ihre Arrangements aus Akustikgitarren, Querflöte und gelegentlich ein paar Klaviertupfern kunstfertig und leicht gleichzeitig klingen zu lassen, das bleibt ihr Geheimnis. Am Ende: Standing Ovations. Und leuchtende Gesichter überall.
ANDREAS HARTMANN
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