Masseneffekt und billige Polemik

betr.: „Seltsam beschränkte Kontrollwut“, Kommentar von Bettina Gaus, taz vom 4. 5. 06

Es war einmal ein Münchner Finanzamt. Da werkelten alle mit Taschenrechnern, die von zu Hause mitgebracht wurden, ganz individuell und immer schön engagiert, kein PC weit und breit. Am Ende des April hatten die tüchtigen BeamtInnen die gesamten Eigenkosten einschließlich Gehälter ihrer Dienststelle im Kasten, bis Jahresende also nur noch „netto nackt“ Einnahmen für „Vati Staat“. Alle in dieser „Dienststelle“ waren davon überzeugt, dass sie mit 50 weiteren KollegInnen und ohne Hemmungen durch „die Politik“ noch viel, viel mehr Steuern hereinholen könnten, vor allem von solchen, die ganz offensichtlich nach politischem Willen nicht behelligt oder kontrolliert werden sollten.

Ein anderes Märchen besagt ja, dass das Steuergeld in Haufen auf der Straße liege, es gebe leider zu viele PolitikerInnen, die verhinderten, dass sich jemand danach bückte … Ach, übrigens: Das besagte Finanzamt gehörte laut Aussage in dem entsprechenden TV-Bericht zu den effektivsten „Kostenstellen“ überhaupt. Das gibt es nämlich nur in sehr, sehr wenigen Firmen, dass ab 1. Mai nur noch Gewinne gemacht werden, wie gesagt: „netto nackt“.

Aber da viele PolitikerInnen lediglich Marionetten wirtschaftlicher Einzelinteressen sind, bleibt alles beim Alten und man bedrängt und nötigt die, bei denen durch Masseneffekt und billige Polemik vermeintlich etwas zu holen ist, vor allem bei solchen, die nicht über die Mittel verfügen, sich juristisch energisch zur Wehr zu setzen. Frau Gaus ist zuzustimmen: Warum kleckern, wenn man klotzen könnte? Aber dazu fehlt offensichtlich der politische „Wille“. Solange bei uns zu Lande Gewinne gemütlich privatisiert und Kosten locker sozialisiert werden dürfen, darf sich niemand wundern über den „armen“ Vati Staat (man vergleiche die Gesamt-Kosten für AKW!) ULRICH SCHMITZ, Hamburg

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