US-Folterpolitik im Kreuzverhör

Vor Experten des Anti-Folter-Komitees der Vereinten Nationen müssen die USA sich seit gestern dem Vorwurf stellen, im Rahmen des „Kriegs gegen den Terror“ zu foltern

BERLIN taz ■ 59 Fragen haben die zehn Experten formuliert, die im Auftrag des UN-Anti-Folter-Komitees noch bis Montag eine 30-köpfige Delegation der US-Regierung in Genf ins Kreuzverhör nehmen. Als Vertragsstaat der Konvention sind die USA verpflichtet, sich solch einer Befragung zu stellen – gefallen dürfte sie ihnen nicht. Denn was die Experten seit gestern von den USA über die Vorwürfe der Folter im Rahmen des US-geführten Krieges gegen den Terror wissen wollen, berührt genau jene Bereiche, die spätestens seit dem Abu-Ghraib-Gefängnisskandal das Ansehen der USA international nachhaltig beschädigt haben.

Warum etwa die US-Regierung, wenn sie denn zu ihren Verpflichtungen aus der Anti-Folter-Konvention stehe, 2002 und 2004 Memoranden des Justizministeriums veröffentlicht hat, die die internationale Definition von Folter in Frage stellen, wollen die Experten wissen. Ob es in den USA irgendeine Möglichkeit gibt, unter bestimmten Umständen die Anwendung von Folter zu rechtfertigen und straffrei auszugehen, lautet eine weitere Frage. Und schließlich wollen die Experten detaillierte Aufstellungen darüber, wo überall auf der Welt sich US-geführte Haftzentren befinden und wer dort unter welchen Vorwürfen einsitzt.

Auch für Guantánamo begehren die Experten Auskunft darüber, welche Vergehen den dort einsitzenden Gefangenen vorgeworfen werden und wer wann und wie über ihr weiteres Schicksal zu entscheiden hat. Das sind alles Informationen, die die US-Regierung seit über vier Jahren der Öffentlichkeit vorenthält. Und mit der Frage, was die US-Regierung nach dem Abu-Ghraib-Skandal unternommen habe, um die Fehler der Befehls- und Kommandoebene aufzuklären und Abhilfe zu schaffen, bestreitet das Komitee die von der US-Regierung stets behauptete Einzeltäterschaft einer Wächtergruppe um Charles Graner und Lindie England.

Die US-Delegation, geleitet von John B. Bellinger, Rechtsberater im US-Außenministerium, erklärte gestern, sie stehe voll und ganz hinter dem Verbot der Folter. Auch die US-Gesetzgebung lasse Folter nicht zu, und wenn entsprechende Vorwürfe laut würden, würden diese überprüft und die Schuldigen zur Verantwortung gezogen. Die USA seien bereit, die Fragen in Genf zu beantworten, warnten aber davor, jede Anschuldigung ernst zu nehmen, sagte Bellinger.

Allerdings scheint allein die Größe der US-Delegation dafür zu sprechen, dass die US-Regierung sich des internationalen Image-Schadens durch die Foltervorwürfe sehr bewusst ist und jetzt zuvorkommende Zusammenarbeit signalisieren will. Die Expertengruppe wird nach Ende der Anhörung einen Bericht verfassen. Wann der veröffentlicht wird, ist noch unklar. Ein negativer Bericht der Kommission, der etwa die Vorwürfe wiederholen oder feststellen würde, dass die USA die geforderten Informationen verweigern, könnte den USA weiter schaden.

Menschenrechtsorganisationen, die bei den Anhörungen dabei sind und die Kommission auch mit Informationen versorgt haben, sehen die Anhörung als Meilenstein. „Die USA müssen sich erstmals seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und dem daraufhin begonnenen US-Kampf gegen den Terror für ihre Praktiken in den Lagern vor den UN rechtfertigen“, sagte Mariette Grange, Direktorin von Human Rights Watch. BERND PICKERT

Fragenkatalog unter: www.ohchr.org/english/bodies/cat/cats36.htm