Gewählt und trotzdem „unwürdig“

Mit ihren früheren Stasi-Verstrickungen lassen sich ostdeutsche Parlamentarier vor Wahlen unter Druck setzen

DRESDEN taz ■ Drei Tage vor den am Sonntag in Thüringen stattfindenden Kommunalwahlen ist eine aussichtsreiche Bewerberin um den Oberbürgermeisterposten in Suhl im Landtag wegen früher IM-Aktivitäten für „parlamentsunwürdig“ erklärt worden. Die 51-jährige Linkspartei-Abgeordnete Ina Leukefeld erwartet, dass ihr diese moralische Aburteilung bei der bevorstehenden Wahl „schaden“ werde.

Leukefeld war als Abteilungsleiterin Jugend und Sport in der Stadtverwaltung Suhl vor 20 Jahren von der Spezialabteilung K1 der DDR-Kriminalpolizei angeworben worden. Angeblich kannte sie deren Nähe zur Staatssicherheit nicht, unterschrieb aber eine Verpflichtungserklärung und berichtete ein Jahr lang über ihre Umgebung.

Die Landtagsabgeordnete ging seit sechs Jahren offensiv mit ihrer Vergangenheit um. Sie entschuldigte sich, las öffentlich aus ihrer Akte und stellte sie jedermann zur Verfügung, was ihr eine Klage der Stasi-Landesbeauftragten Hildigund Neubert wegen Verstoßes gegen das Stasi-Unterlagengesetz eintrug. „Ich bin gegen einen Schlussstrich“, sagte Leukefeld der taz, „denn ich kann aus meinem Leben nicht heraus.“

Bei den Landtagswahlen 2004 errang sie in Südthüringen ein PDS-Direktmandat. Ein geheimes Prüfungsgremium des Landtages und Präsidentin Dagmar Schipanski sprachen ihr dennoch jetzt das moralische Recht ab, im heutigen Landtag zu sitzen. Dies hat allerdings keine konkreten Konsequenzen, da seit einer Entscheidung des Landesverfassungsgerichtes 1999 eine Aberkennung von Mandaten wegen früherer IM-Aktivitäten nicht möglich ist.

Etwas anders liegt die Sache bei dem Linkspartei-Fraktionsvorsitzenden Peter Porsch in Sachsen, dem auch frühere IM-Aktivitäten nachgesagt werden. Wenn am kommenden Donnerstag der Landtag mit Zweidrittelmehrheit eine Abgeordnetenanklage beschließen sollte, droht ihm die Aberkennung seines Mandates im Landtag. Grundlage ist der bundesweit einmalige Artikel 118 der Landesverfassung, der eine solche Aberkennung erlaubt.

Ein fünfköpfiger Bewertungsausschuss des Landtages sah eine bewusste informelle Mitarbeit des gebürtigen Österreichers als erwiesen an. Porsch will jedoch nur unwissentlich abgeschöpft worden sein und hat nie eine Verpflichtungserklärung unterschrieben. Auch die Vorwürfe gegen Porsch waren unmittelbar vor der sächsischen Landtagswahl 2004 aufgetaucht.

MICHAEL BARTSCH