Erst gelobt, dann geächtet

ISLAM Die Moschee in Penzberg ist bundesweit anerkannt für ihre Integrationsarbeit. Doch der Verfassungsschutz zieht Verbindungen zu Extremisten und sät damit Zweifel

„Ich habe kein Problem mit der Gemeinde. Der Imam dort ist ein feiner Mann“

LUDWIG SCHMUCK, BÜRGERMEISTER

AUS PENZBERG STEFANIE SCHÖNE

Die Anspannung steht Bayram Yerli, dem Vereinsvorsitzenden der Islamischen Gemeinde Penzberg, ins Gesicht geschrieben. Er hat die Presse eingeladen und teilt mit, dass die Mitglieder der Gemeinde weiterhin als potenzielle Staatsfeinde gelten und vom bayerischen Verfassungsschutz observiert werden dürfen. Die Richter des bayerischen Verfassungsgerichts wiesen in der vergangenen Woche einen Dringlichkeitsantrag der Gemeinde auf ein Erwähnungsverbot im Bericht von 2008 ab. Yerli fasst die Reaktionen daraufhin so zusammen: „Wir sind sehr betroffen und bestürzt.“

Seit drei Jahren hat der bayerische Verfassungsschutz die überregional bekannte Gemeinde im Visier und veröffentlicht die Erkenntnisse in seinen Berichten. Begründet werden die Observierungen damit, dass sich die Gemeinde nur formal von der als verfassungsfeindlich eingestuften Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) distanziere. Im Verfassungsschutzbericht 2009, der kürzlich veröffentlicht wurde, finden sich Extremismusvorwürfe gegen die Gemeinde, Imam Benjamin Idriz und gegen Bayram Yerli.

Die Bayern haben nichts gegen die islamische Gemeinde in ihrer Mitte. Im Gegenteil: Sie ist in Penzberg wohl angesehen. „Ich habe kein Problem mit der Gemeinde. Der Imam dort ist ein feiner Mann“, erklärt CSU-Mann Ludwig Schmuck, dritter Bürgermeister der Kleinstadt.

Und auch außerhalb der Stadtgrenzen gilt sie sogar als Vorzeigegemeinde. Die Predigten werden auf Bosnisch, Türkisch und Arabisch und einmal im Monat auf Deutsch gehalten. Seit 2006 kommen regelmäßig wichtige Besucher in die lichte Moschee, zuletzt Bundesjustizministerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger (FDP). Sie stärkte der Gemeinde Ende März den Rücken und äußerte ihr Unverständnis über die Bewertungen der Verfassungsschützer.

Doch die Berichte der bayerischen Schlapphüte zeigen Wirkung: Nicht nur, dass dem Verein 2008 seine Gemeinnützigkeit aberkannt wurde, auch die Schulbehörden gehen seit Kurzem auf Gegenkurs.

Nahezu 1.000 Schulklassen führte die Pädagogin Gönül Yerli in den letzten vier Jahren durch „ihre“ Moschee. Dieser interreligiöse Dialog droht jetzt zu verstummen, erläutert Yerli. Die Regierung von Oberbayern bestätigte auf Nachfrage, dass Grundschulen aufgrund des aktuellen Verfassungsschutzberichtes von einem Besuch abgeraten werde.

Religionslehrerin Franziska Braun aus Bad Tölz wollte im April wie in den vergangenen vier Jahren mit ihrer Klasse eine Exkursion zur Moschee in Penzberg machen. „Wir durften nicht.“ Auf Empfehlung des Kultusministeriums habe die Schulleitung ein Verbot ausgesprochen.

Im Fokus der bayerischen Überwacher steht Bayram Yerli. „Ich wurde in den 80er-Jahren als Kind von meinem Vater in der Milli-Görüs-Moschee in Bad Tölz angemeldet.“ Er hatte keine Ahnung, dass ihm dies später einmal vorgehalten werden könnte. „Das war damals so üblich“. Es habe ohnehin nur diese eine Moschee gegeben. 2006 erklärte er seinen Austritt. Bis 2004 wurde die Penzberger Moschee sogar in den Listen der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs Südbayern als Mitglied geführt. Yerli beteuert: „Zwischen uns und Milli Görüs hat nie eine rechtliche Verbindung bestanden.“

Das sehen die Verfassungsschützer offenbar anders und gefährden damit ein Projekt der Penzberger, das bundesweit Beachtung findet. In zentraler Lage soll in München das „Zentrum für Islam in Europa – München“ (ZIEM) entstehen, eine Moschee, die gleichzeitig Ausbildungsakademie für Imame unter staatlicher Aufsicht ist. Das Konzept gilt in München als großer Wurf. Alle im Stadtrat vertretenen Parteien sicherten der Gemeinde ihre Unterstützung zu und ließen sich auch nicht vom bayerischen Innenministerium irritieren, das vor islamistischen Organisationen warnt, die das Projekt inspiriert hätten. Seit der aktuellen Entscheidung des Verwaltungsgerichts gehen erste Stadträte der SPD auf Distanz. Die grüne Stadträtin Gülseren Demirel will das Urteil prüfen, jedoch bis auf Weiteres an der Unterstützung für ZIEM festhalten.

Die Moscheegemeinde will erneut Klage gegen die Verfassungsschutzberichte 2008 und 2009 erheben und drängt auf eine mündliche Verhandlung, in der Zeugen und Gutachter gehört werden können. Bayram Yerli ist angespannt, aber immer noch zuversichtlich: „Wir werden weiterarbeiten. Es geht schließlich um nichts weniger als um den interkulturellen Dialog.“