KOPFLOS IN DER UDK
: Rieke & Mareike

„Hör doch endlich mal auf, so einen Quatsch zu reden“

Das Foyer im ersten Stock der UdK ist schon eine halbe Stunde vor der Veranstaltung gut gefüllt. Mit jungem Volk, fleißigen Studenten, die mit Notizblöcken bewaffnet sind. Ich frage mich, warum die sich alle einen Hardcoretheorie-Vortrag von Toni Negri anhören wollen – zuerst auf Italienisch und dann auf Deutsch.

Gastgeber ist Herr Byung-Chul Han, der an der Universität der Künste Professor ist. Er hat schlechte Manieren, denn er stellt zwar Toni Negri vor, nicht aber den Übersetzer, der an diesem Abend eindeutig die meiste Arbeit hat. Dann geht er auf eine online erschienene Kritik der Vorabendveranstaltung mit ihm und Negri in der Schaubühne ein. Ich glaube, der Mann googelt jeden Tag seinen Namen.

Nach einer halben Stunde linse ich in das Heft der neben mir sitzenden Frau. Sie hat wirres, langes Haar, ist ganz in Schwarz gekleidet und Linkshänderin. Sie notiert gerade: „Die Vorträge sind so anstrengend.“ Dann notiert sie nichts mehr und malt nur noch Muster in das Heft, das sich offenbar „Rieke & Mareike“ teilen, denn diese Namen stehen auf dem grünen Heft. Aber Rieke oder Mareike hält bis zum Schluss durch. Herr Byung-Chul Han möchte nach dem Vortrag noch eine leichter verständliche Fassung. Dann sagt er: „Wir haben heute den Kopf externalisiert in Form von Handys, von Smartphones, wir halten unseren Kopf in den Händen, und wir haben uns entfremdet von unserem eigenen Kopf, wir sind kopflos geworden, wie können wir uns dieses Smartphone wieder aneignen?“ Mir erscheint das etwas rätselhaft. Einem Zuschauer weniger, denn er schreit von hinten dazwischen: „Hör doch endlich mal auf, so einen Quatsch zu reden. Ist ja unerträglich.“ Die Linkshänderin schreibt jetzt wieder mit, aber ich kann es nicht entziffern. Als Negri wieder das Wort ergreift, sagt er: „Es geht jetzt wieder um Philosophie.“ Schade eigentlich.

KLAUS BITTERMANN