Volksinitiativen begehren mehr

Weil sie mit dem Erfolg der Volksinitiativen nicht zufrieden sind, planen Vertreter der Kinder- und Jugendarbeit ein Volksbegehren. Der Verein „Mehr Demokratie“ zweifelt an dessen Zulässigkeit

VON PASCAL BEUCKER
UND NATALIE WIESMANN

Die Kinder- und Jugendlobby in Nordrhein-Westfalen will weiter für mehr Landesgelder in Kindergärten und Jugendeinrichtungen kämpfen. „Wir denken ernsthaft über ein Volksbegehren nach“, sagt Norbert Kozicki von der Volksinitiative „Jugend braucht Zukunft!“. Auch die Organisatoren der Volksinitiative „NRW 2006“ wollen einen Schritt weitergehen: „Ich wünsche mir, dass wir ein Volksbegehren zustande bekommen“, sagt Sprecher Dieter Greese.

Obwohl die beiden Volksinitiativen gemeinsam etwa eine halbe Million Proteststimmen (siehe unten) gesammelt haben, hält sich ihr politischer Erfolg in Grenzen: Schwarz-Gelb hat kurz vor Verabschiedung des Haushalts einen Sondertopf in Höhe von 40 Millionen Euro für Kindergärten und 4,5 Millionen für die Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten eingerichtet. Ein schwacher Trost, findet Norbert Kozicki: „Das sind Sondergelder, die im kommenden Jahr nicht gesichert sind.“

Sicher sind aber die regulären Einsparungen: Insgesamt werden im laufenden Jahr bei den Kindergärten, Beratungsstellen und in der Familienbildung etwa 200 Millionen Euro gestrichen. Der Etat für die offene Kinder- und Jugendarbeit wird nicht wie zuvor versprochen auf 96 Millionen Euro erhöht, sondern bei 75 Millionen Euro eingefroren. Dazu kommt, dass CDU-Finanzminister Helmut Linssen im kommenden Jahr weitere 600 Millionen Euro einsparen will.

Dass die Volksinitiativler mobilisieren können, haben sie durch die Unterschriftensammlungem der vergangenen Monate bewiesen. Für ein Volksbegehren benötigen sie allerdings eine Million Proteststimmen. „Wir hoffen auf die Unterstützung der großen Wohlfahrtsverbände und der Gewerkschaften“, so Kozicki.

Das anvisierte Begehren könnte allerdings schon daran scheitern, dass es nicht zugelassen wird – auch wenn die grüne Landtagsfraktionschefin Sylvia Löhrmann via Rheinische Post umgehend die Unterstützung ihrer Partei bekundete. Die Reaktion der Landesregierung folgte prompt: „Die rechtlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines solchen Volksbegehrens liegen nicht vor“, erklärte Regierungssprecher Thomas Kemper und forderte die Grünen auf, sie „sollten zu einer seriösen Politik zurückkehren“.

Tatsächlich schließt die nordrhein-westfälische Landesverfassung Volksbegehren über Finanzfragen kategorisch aus – und um die geht es den Volksinitiativlern. Auch Versuche, dieses Problem mit Formulierungstricks – beispielsweise Stellen statt Mittel festschreiben zu wollen – zu umgehen, hält Daniel Schily, Landesgeschäftsführer von Mehr Demokratie e.V., für nicht erfolgsversprechend: „Das wird vor Gericht scheitern“, ist er überzeugt. Schily hat die beiden Volksinitiativen beratend begleitet, warnt die Initiatoren jedoch jetzt davor, ein absehbar unzulässiges Volksbegehren nur zur Erhöhung des politischen Drucks einzuleiten: „Man sollte solche Demokratieinstrumente sehr ehrlich handhaben.“ Gleichzeitig betonte er, dass sich Mehr Demokratie bereits seit längerem die thematische Einengung von Volksbegehren auf nicht finanzrelevante Fragen beklagt und fordert, den gesetzlichen Spielraum auszuweiten.