Holstein Kiel: Aufstieg vergeigt
: Niedrig in der Warteschleife

Als Michael Niedrig eine gute halbe Stunde nach dem kläglichen 0:0 gegen RW Erfurt aus der Kabine der KSV Holstein Kiel trat, dürfte er die kühlen Norddeutschen für ihre Zurückhaltung geliebt haben. Der frühere Zweitliga-Profi des 1.FC Köln blieb von einem Sturm der Entrüstung verschont. Zwar hatte der „Storch des Monats April“ soeben gemeinsam mit seinen Mitspielern auf schlimmste Art und Weise die Chance auf den Zweitligaaufstieg verspielt, lautstarke Proteste verärgerter Holstein-Fans musste er dennoch nicht ertragen.

In seiner Heimat Köln wären die Anhänger auf die Barrikaden gestiegen. In Kiel gingen die Fans nach dem Schlusspfiff schnurstracks in die Stadionkneipe „Holsteiner“, um sich im Fernsehen die Live-Konferenz der Bundesliga anzusehen. Es sei schon eine erhebliche Umstellung gewesen, als er im Sommer vergangenen Jahres nach Kiel umzog, sagte der 26 Jahre alte Blondschopf. „Klar, hier ist die Mentalität schon eine andere. In Köln spielen sie schon 90 Minuten vor dem Anpfiff Karnevalslieder, in Kiel braucht man länger, um die Zuschauer zu begeistern.“

Dem „Kölsche Jong“ ist das in seiner ersten Saison im Norden bestens gelungen. Niedrig wurde an seinem überragenden Vorgänger im defensiven Mittelfeld Niels Hansen gemessen, der zum SC Freiburg wechselte. Er benötigte ein halbes Jahr, um sich von dieser Bürde zu befreien. In der Rückrunde wuchs er mit jedem Spiel stärker in die Rolle eines Leistungsträgers. Plötzlich steuerte er auch Tore zum Höhenflug der „Störche“ bei. Beim 5:1- Heimsieg gegen die Amateure des 1. FC Köln traf Niedrig zweimal. Dafür gab es ein großes Lob seines ehemaligen Trainers Christoph John: „Er hat heute ein wirklich tolles Spiel gemacht – nur leider im falschen Trikot“, sagte der Kölner Coach damals.

Es ist fast schon tragisch, dass dem Aufsteiger im Kieler Team der erhoffte Aufstieg mit der Mannschaft verwehrt bleiben wird. „Ich möchte wieder in die Bundesliga. Aber ich habe in Kiel einen Zweijahresvertrag. Im nächsten Jahr haben wir eine gute Chance“, sagte Niedrig. Die Enttäuschung wich über dieses Versprechen aber nicht aus seinem Gesicht. Christian Görtzen