12:1 für das Abendland

Acht Pfarrer spielen gegen acht Imame Fußball. Am Ende besiegen die Christen dank konditioneller Überlegenheit die Muslime haushoch. Doch das ist eigentlich Nebensache. Viel wichtiger: Alle Kicker haben Spaß und verstehen sich prima

VON ANDREAS RÜTTENAUER

„Sie sind jetzt schon der Sechste!“ Ein neunjähriger Junge hält stolz sein selbst gemaltes Plakat vor die Kamera eines Fotografen. „Papa, schieß ein Tooor für die Christen“ steht darauf. Der Junge mit seinem Transparent ist eines der beliebtesten Motive an diesem Samstagvormittag auf dem Sportplatz der Friedrich-Ebert-Oberschule in Wilmersdorf. Jede Menge Fotografen sind erschienen, alle auf der Suche nach einem möglichst originellen Motiv. Auf dem Kunstrasen spielen acht evangelische Pfarrer gegen eine Mannschaft von Imamen.

Wahrscheinlich hatten nicht wenige Bildjournalisten damit gerechnet, witzige Bilder schießen zu können mit stolpernden Predigern und Pfarrern darauf, die nicht nur mit Ball und Gegner, sondern auch mit ihren bodenlangen Messgewändern zu kämpfen haben. Doch was sie zu sehen bekommen, ist ein nicht unbedingt ansehnlicher, von den Spielern mehr oder weniger ernst genommener Freizeitkick.

Dennoch ist es ein besonderes Spiel. Ein Spiel mit hohem Symbolwert. Begegnungen, sportliche gar, zwischen christlichen Priestern und muslimischen Predigern sind alles andere als alltäglich. „Das sollte normal sein“, glaubt der anglikanische Pfarrer Christopher Jage-Bowler, der die Idee zu der Begegnung hatte. Er ist ganz außer sich vor Begeisterung. „Toll, toll, toll“, sagt er immer wieder. „Wir brauchen keine Bischöfe oder hohe Würdenträger für solche Begegnungen. Das hier funktioniert viel besser.“ Es werden viele Hände geschüttelt, es wird viel gelächelt, es wird vor und nach der Partie von Vorurteilen gesprochen, die es abzubauen gelte. Pfarrer und Imame ziehen sich sogar in der gleichen Kabine um. In den zwei Stunden der Begegnung gibt es keinerlei Probleme zwischen Christen und Muslimen. Ach ja, die Schiedsrichter werden von der jüdischen Gemeinde gestellt. Es ist ein großes Friedensfest, das da gefeiert wird.

Nur einmal kurz gibt es Ärger. Ein arabischer Muslim baut sich mit einer Flagge am Spielfeldrand auf. Die Fotografen freuen sich. Arabische Zeichen auf grünem Hintergrund und daneben milde lächelnd ein älterer Herr mit grauem Rauschebart. „Wir möchten noch eine Erklärung abgeben“, schreit plötzlich ein hagerer Mann, der gerade noch für die Mannschaft der Imame gegen den Ball getreten hat, den Journalisten zu. „Wir distanzieren uns von dieser Flagge“, fügt er hinzu und stellte sich als Vertreter der Bilal-Moschee im Wedding vor. Bei dem grünen Tuch handelt es sich um die Fahne Saudi-Arabiens. Unter dem Lehrspruch „Es gibt nur einen Gott“ ist ein Schwert abgebildet. „Wir sind für einen friedlichen Dialog“, ruft der kleine Mann.

Doch für ihn interessiert sich schnell niemand mehr. Am Schluss wird ein Erinnerungsfoto mit beiden Mannschaften geschossen. Die christlichen Priester halten stolz einen Pokal in die Höhe, gestiftet vom Ökumenischen Rat Berlin-Brandenburg. 12:1 haben die drahtigen Pfarrer gegen die Imame gewonnen. Die waren zwar technisch versiert, hatten aber konditionelle Probleme. Vor allem, wenn die Christen mit weiten Pässen das Spiel öffneten, liefen die zu sehr auf den Ball orientierten Muslime meist vergebens hinterher. Doch so richtig interessiert sich niemand für eine Spielanalyse. „Wir sind alle Gewinner“, sagt Imam Taba von der Neuköllner Al-Nur-Moschee. Na dann.