SUSANNE LANG über DIE ANDEREN
: Herr Poschardt, wir müssen reden!

Alle beschwören derzeit die „Gemeinschaft“. Nur Ulf Poschardt mag nicht mitmachen und empfiehlt die „Einsamkeit“

Wie so oft in diesen Tagen sah ich unserer Gemeinschaft im Nachtfernsehen beim Vergehen zu. Unzuversichtlich, wie es sich gehörte.

Aber vielleicht würde es ja diesmal gelingen, und zwar keiner Geringeren als der Fürstin Sayn-Wittgenstein-Sayn, unsere Gemeinschaft neu entstehen zu lassen. Rainer Langhans jedenfalls sah ein wenig zu altgrau dafür aus, alles in bester Ordnung also. Der Fürstin blieb ein Zeitfenster von sechzig ARD-Maischberger-Minuten, um den Langhans’schen Körperdiskurs mit Eheverträgen aus prämodernen Zeiten auszustechen.

Sie gab ihr Bestes.

Ich überlegte, ob ich ein Minimum an Ketamin zuführen sollte, etwas von der zurzeit so angesagten Partydroge aus der Apotheke nebenan. Unempfindlichkeit gegen Schmerzen wäre nicht der schlechteste Zustand.

Doch dann sprach er.

Kein Held der Familie. Kein Vielfrauen-Patchworker.

Nein. Ein Individualist.

Ein Kämpfer für die Freiheit.

Früher cool im Sportwagen.

Jetzt einsam mit der FDP: Ulf Poschardt, 38, ehemals Chefredakteur des SZ-Magazins, jetzt Chefentwickler der deutschen Ausgabe des Hochglanz-Magazins Vanity Fair und Autor des Buchs „Einsamkeit. Die Entdeckung eines Lebensgefühls“ (Platz 33 in der Bestsellerliste). Devise: Aber „keine Frau will mit John Wayne eine Beziehung führen“. Sogar die Fürstin schien beeindruckt: Er werde sicher viele, viele Zuschriften bekommen nach diesem Auftritt, sagte sie, von vielen, vielen Frauen.

Ich fühlte mich ertappt, schickte die begonnene elektronische Post trotzdem ab. Ich glaube, er freute sich. Wir verabredeten uns. In seinem Büro im schick sanierten Berlin-Mitte, einem hellen Raum mit großer Glasfront, durch die der Optimismus wärmt, vor allem wenn die Sonne scheint.

„Servus“, sagte er nur und lächelte. Ich hatte mich auf alles vorbereitet („einsam in Deutschland“, „einsam als Frau“, „tagelang einsam“, „einsam als Mann mit tickender Uhr“, „einsam in der Ehe“), fühlte aber erst mal vor: „Wie kommt denn Ihre Einsamkeit so an?“, fragte ich.

Nun ja.

„Es gibt keine einzig gute Besprechung des Buchs“, sagte er, ganz sachlich, „nur unterschiedliche Formen des Verrisses.“

Er sah nicht unglücklich aus. „Man hat keinerlei Lust, sich mit dem Inhalt auseinander zu setzen“, erklärte er, „sondern arbeitet sich immer noch an mir ab: Ach, der Idiot, der hat was für die FDP gesagt, der kann uns mal.“

Dabei sei er ein Feind von Feindbildern: „Sie reduzieren die Welt.“ Maximum also.

Freiheit.

Romantik.

Liebe.

War das der Gegenentwurf zur wertkonservativen Familienbeschwörung? „Nein. Ich würde mich nur gegen die Nebeneffekte einer solchen Debatte verwehren wollen“, sagte er bestimmt: „Insbesondere auf Frauen wird Druck ausgeübt, in einer Richtung, die ich unappetitlich und nostalgisch finde. Mein Buch ist ideologisch entspannt und versucht pragmatisch mit den Diskursen wie Familie oder Emanzipation umzugehen.“

Hm.

Ich dachte an das süße Schlusskapitel des Buchs („Das Ende der Einsamkeit … muss Liebe sein“) und war ein wenig verwirrt. Aber mit einem „Sex in the City“-Fan ließ sich ja reden.

1. Ideologisch entspannt? „Ich bin dankbar dafür, ein Kind von 68 zu sein. Der Heroismus dieser Zeit war großartig. Leider ist nicht jeder zum Heroen geboren. Von der Sehnsucht der Emanzipationsbewegung ist zu wenig geblieben. Ich glaube, ich gehe einen modernen und grundliberalen Weg.“

2. Pragmatisch? „In meinem Buch ist der Emotionspragmatiker die Gegenfigur zum Romantiker, dem aufgrund seiner Sucht nach Sehnsucht alle Bindung lächerlich erscheint. Das kann ein sehr autistisches und narzisstisches Vergnügen werden.“

3. Trotzdem Romantik? „Ich finde es schlimm, wenn man die Romantik aufgibt, sie konserviert jenen Moment der Sehnsucht, der Fortschritt und Veränderung antreibt.“

So weit, so ideal. Die Neuentstehung der Gemeinschaft wäre auf dem besten Wege. Ich stellte mir kurz vor, wie ein Vorabdruck der Einsamkeit im Massenboulevard, als feines „follow up“ von „Minimum“, so ankäme. Hm.

„Herr Poschardt, haben Sie denn noch Zuschriften von anderen Frauen bekommen, nach dem Aufruf der Fürstin?“

Er blickte ernst und nickte.

„Wie viel denn?“

„Ungefähr zwei Dutzend Briefe und Mails.“

Auch Heiratsanträge? „Auch wohl so was in der Richtung.“

Andere Fragen? kolumne@taz.de Morgen: Arno Frank über GESCHÖPFE