Neue Flasche für altes Bier

Die Politik des Präsidenten soll nicht geändert, nur besser verkauft werden: Dafür hat das Weiße Haus nun mit Tony Snow (50) einen ehemaligen TV-Moderator als neuen Sprecher angeheuert

AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF

„Wir wollen unser Glück zurück“, forderte Joshua Bolton, Präsident George Bushs neuer Stabschef, in seinem ersten TV-Interview vergangene Woche. Die von Bolten zügig organisierte personelle Runderneuerung des Teams um Bush – die in Washington leicht spöttisch „West Wing Shake-up“ genannt wird – hat nicht nur einige Politstrategen hinweggefegt, sondern auch das „Gesicht“ des Weißen Hauses: den Sprecher des Präsidenten.

Nach sieben Jahren verabschiedete sich Scott MacClellan, 37, ein Getreuer Bushs aus Texas, eingewechselt wird heute Tony Snow, 50, Star-Moderator beim notorisch Bush-nahen Sender Fox und Redenschreiber von Bush senior.

Die Rochade kommt in einer Zeit, da Bushs Umfragewerte auf einen historischen Tiefststand gesunken sind. Da könne „etwas frischer Wind und Reorganisation bei gleich bleibender guter Politik nicht schaden“, sagte Bolten auf eben jenem Sendeplatz bei Fox, dessen Moderator er soeben abgeworben hatte. Bolten – und Snow – wollen „für die Presse und die Öffentlichkeit eine offenere Atmosphäre schaffen“. Von Offenheit kann allerdings nur schwerlich die Rede sein: Die Bush-Administration hängte einigen Journalisten jüngst sogar Verfahren wegen ihrer Enthüllungsgeschichten an, etwa im Fall der Enttarnung einer CIA-Agentin sowie der versteckten CIA-Gefängnisse in Osteuropa.

Mit der Ernennung Snows am vergangenen Mittwoch gelingt Bush zudem die Vollendung einer rund ein Jahrzehnt währenden Transformation des „presidential spokesman“, des Regierungssprechers. Denn mit Snow mutiert das Jobprofil nun endgültig von einem diskreten, kaum bekannten Sprachrohr zu einer Personality-Show, wie sie das Weiße Haus noch nicht gesehen hat, nämlich einen Moderatoren-Star der Kabelsender-Ära. Überdies kommt Snow von „außen“ und nicht aus der „Texas-Schule“, womit womöglich auch seine zum Teil kritische Haltung zu erklären ist, die er innerhalb des regierungsfreundlichen Fox-Senders eingenommen hatte.

Die liberalen US-Medien hefteten Tony Snow daher sofort das Label „kritischer Loyalist“ an und vermuteten, er sei nun angetreten, für Bush den „Snow Job“ zu erledigen – nämlich der Administration durch geborgte Objektivität und Glamour zu mehr Glaubwürdigkeit zu verhelfen.

Bush sagte bei seiner Ernennung, „er war manchmal anderer Meinung als ich“. Zweifellos bezog er sich damit auf saftige Snow-Zitate über die „stumpfsinnige“ Innenpolitik von Bush, der selbst „peinlich ist für seine konservativen Unterstützer“. So viel steht schon vor seinem Amtsantritt fest: Snow wird kein Fußsoldat und kein willenloser Jasager sein.

„Ich habe Tony nach diesen Äußerungen gefragt“, sagte ein lachender Bush, „und er hat mir geantwortet, ich hätten erst hören sollen, was er über die anderen Jungs gesagt hat.“

Bush hat gut Lachen, denn tatsächlich besteht an Snows grundsätzlicher republikanischer Treue wenig Zweifel. So war es in erster Linie sein Sendeplatz beim Fox-Newskanal, den die angeschlagene Administration nutzte, um Interviews zu geben, wenn mal wieder alles schief lief. Hier zeigte sich zum Beispiel Vizepräsident Cheney, als ihn alle anderen Medien wegen seines angeblichen Jagdunfalls, bei dem er seinen Partner aus nächster Nähe anschoss, „grillen“ wollten.

Die Sprecherin des Nationalen Komitees der Demokraten, Karen Finney, kommentierte Snows Ernennung mit den Worten: „Er wechselt lediglich von einer Stelle der konservativen Infrastruktur zur anderen.“

Sowohl Demokraten als auch Republikaner sind sich weitgehend einig in ihrer Analyse, dass das Weiße Haus mit diesem Wechsel eingesteht, im Umgang mit der Presse Fehler gemacht und sie zu sehr auf Distanz gehalten zu haben.

So war der Vorgänger Scott McClellan selten spontan und hielt sich stets an seine geplante Choreografie. Snow hingegen soll vom Präsidenten ausdrücklich grünes Licht für mehr Lockerheit bekommen haben.