Der Count-down für Tony Blair läuft

Mit der Kabinettsumbildung macht Großbritanniens Regierungschef klar, dass er seinen Sessel nicht räumen will. Der Unmut bei Labour wächst. Abgeordnete stellen Blair Ultimatum für Amtsübergabe an seinen designierten Nachfolger

DUBLIN taz ■ Tony Blair gelingt zurzeit nicht viel. Der britische Premierminister, der vorgestern seinen 53. Geburtstag feierte, wollte mit seiner Kabinettsumbildung am vergangenen Freitag das verheerende Ergebnis der Kommunalwahlen aus den Schlagzeilen verdrängen und Aufbruchstimmung verbreiten. Tatsächlich ist dadurch jedoch sein eigener Aufbruch ins Privatleben näher gerückt.

Die Zusammensetzung des neuen Kabinetts signalisiert, dass Blair nicht freiwillig gehen will. Er hat Minister um sich geschart, die ihm treu ergeben sind, während die Anhänger seines designierten Nachfolgers, des Schatzkanzlers Gordon Brown, mit dem Blair im permanenten Streit liegt, entlassen oder degradiert wurden.

Besonders deutlich ist das im Fall des Außenministers Jack Straw, der auf den Posten des Unterhauspräsidenten abgeschoben wurde. Straw steht Brown nahe. Sein zweiter Fehler war, eine militärische Aktion gegen den Iran kategorisch auszuschließen. Blair widersprach ihm öffentlich und betonte, dass man in Sachen Iran „gar nichts ausschließen“ dürfe. Ein Mitarbeiter Straws sagte, Blair habe offensichtlich alle bestraft, die sich nicht im Kriegszustand mit Gordon Brown befinden.

Der bisherige Parlamentspräsident und ehemalige Verteidigungsminister Geoff Hoon wurde abermals degradiert: Er ist nun Europaminister – ein Posten, der nicht mal Kabinettsrang hat. Hoon nahm seinen neuen Job erst spät am Samstag an und ließ keinen Zweifel daran, dass er wütend auf Blair ist. Seine Freunde monierten, dass er schlecht für seine Loyalität während des Irakkrieges belohnt worden sei.

Darüber hinaus wurde bekannt, dass die Vizegesundheitsministerin Jane Kennedy nicht von Blair entlassen worden ist, sondern ihren Rücktritt eingereicht hat, weil sie mit der Gesundheitsreform nicht einverstanden ist. „Ich hatte Streit mit Blair und einigen Ministern über verschiedene Aspekte der Reform“, sagte sie. „Wenn einem gesagt wird, dass man seine Meinung für sich behalten solle, muss sich die Regierung jemand anderes für den Job suchen.“

Eine Gruppe von rund 50 Labour-Abgeordneten hat einen Brief verfasst, in dem Blair aufgefordert wird, binnen einer Woche ein Datum für die Machtübergabe an Brown zu benennen. Andernfalls wollen die Abgeordneten den Parteivorstand öffentlich auffordern, diesen Zeitplan für Blair aufzustellen. Der wird laut Scotsman on Sunday heute erklären, dass er bis zu den nächsten Wahlen in drei Jahren Premier bleiben will. Das wird Brown nicht hinnehmen. Der Streit zwischen beiden wird sich in den nächsten Tagen verschärfen. RALF SOTSCHECK