Wabernde Albträume

Von Gefühlen erzählen, darum geht es bei Musik. Vor allem. Zum Glück aber gibt es sehr viele verschiedene Methoden, wie man von diesen Gefühlen erzählen kann. Die einen singen Wörter, in denen sie berichten, was sie fühlen. Die anderen spielen auf ihren Instrumenten Töne, die diese Gefühle ausdrücken. Im Idealfall findet beides glücklich zusammen.

Bei Dota Kehr liegt der Schwerpunkt eindeutig auf dem Wort. Die Wahlberlinerin, die wohl niemals ihren ehemaligen Ehrennamen Kleingeldprinzessin los werden wird (q. e. d.), verzichtet auf ihrem neuesten Album „Wo soll ich suchen“ auf die Unterstützung ihrer sonstigen Begleitband, die Stadtpiraten. Deren Gitarrist Jan Rohrbach allerdings war federführend bei der musikalischen Umsetzung dieser zwölf neuen Songs mit Gastmusikern. In denen berichtet Dota vom Drachensteigenlassen auf dem Teufelsberg, von Licht, das sich in der Tiefe verliert, oder von einem Sommertag am See. Natürlich erzählt sie aber eigentlich von der Liebe und vom Leben, von Freundschaft und von Leidenschaft. Sie erzählt nicht – im Gegensatz zu ihren Alben mit den Stadtpiraten – von Tages- und Weltpolitik. Dieses elfte Album ist das vielleicht persönlichste von Dota, deshalb ist es nur folgerichtig, dass ihre Texte im Mittelpunkt stehen und die Musik vor allem einen gemütlichen Teppich legt, auf dem sich die Stimme entspannt ausbreiten kann. Ansonsten dürfen die Instrumente zwar virtuos vor sich hin daddeln, auch das eine oder andere Kunststückchen aufführen, sollen sich aber vor allem vornehm zurückhalten.

Das verhält sich auf „Fortune, Shelter, Love and Cure“ ganz anders. Auf dem Debütalbum von Suns of Thyme ist weitgehend wurscht, was die Stimme so zum Besten gibt, dient sie doch in erster Linie als weiteres Instrument. Tobias Feltes singt mit viel Pathos, das noch verstärkt wird durch einen satten Hall-Effekt. Meist aber machen sich die Gitarren auf zu schier endlosen Exkursionen durch wabernde Albtraumlandschaften. Das Berliner Quartett, das passend schon als Einheizer für die Neo-Psychedeliker Toy aufgetreten ist, gibt Pink Floyd als prägenden Einfluss an, kaum zu überhören ist aber auch eine Liebe zu den Goth-Rock-Helden Sisters of Mercy. Diese Vorbilder sind – im Gegensatz zu allzu anspruchsvoller Lyrik – bei Suns of Thyme allerdings in allerbesten Händen. THOMAS WINKLER

■ Dota: „Wo soll ich suchen“ (Kleingeldprinzessin/Broken Silence), live: 2. 11., im Postbahnhof ■ Suns Of Thyme: „Fortune, Shelter, Love and Cure“ (Motor Entertainment/Edel) live: 2. 11., Kuze Potsdam, 15. 11., Prince Charles