LANCE ARMSTRONG AUF DER LEINWAND
: Das Rennen nach der Beichte

Kulturbeutel

ANDREAS RÜTTENAUER

Thomas Dekker ist ein Radprofi aus den Niederlanden. Er galt als großes Talent. Dann wurde er beim Dopen erwischt. Nach einer Sperre fährt er seit 2011 wieder Rennen. Eine ganz normale Rennfahrerkarriere. Sogar eine Reue-Show hat er schon abgeliefert. Im Januar schüttete er sein Herz in der Zeitung NRC Handelsblad aus und gab zu, schon seit 2005, seinem ersten Profijahr, regelmäßig gedopt zu haben. Zurzeit fährt er vor der Filmkamera Rad. Er ist Nebendarsteller in einem Biopic über Lance Armstrong und kann Stephen Frears, dem Regisseur des Films, sicher mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn es darum geht, Momente der Dopingmittelzufuhr möglichst realistisch zu inszenieren.

Die ersten Bilder von den Dreharbeiten, die in der vergangenen Woche begonnen haben, gibt es bereits. Sie zeigen den Schauspieler Ben Foster in einem gelben Trikot auf einem Rennrad. Er spielt Lance Armstrong. Über dessen fiese Karriere hat der irische Journalist David Walsh schon früh viel gewusst. Er war es, der 2001 Armstrongs Zusammenarbeit mit dem als Dottore Epo bekannten italienischen Sportmediziner Michele Ferrari öffentlich machte und der zwei Jahre später zusammen mit seinem Kollegen Pierre Ballester das Buch „LA Confidential“ geschrieben hat, in dem Armstrongs ehemalige Masseurin Emma O’Reilly von ihren heimlichen Reisen zur Dopingmittelbeschaffung berichtete. Der wahre Lance Armstrong unternahm alles, um dem Reporter das Leben so schwer wie möglich zu machen. Als „little troll“ bezeichnete er den Rechercheur nur noch und drangsalierte ihn, wo immer es ging. Am Ende jedoch blieb ihm nichts anderes übrig, als sich bei Walsh zu entschuldigen. In seiner Beichtperformance bei Talkerin Oprah Winfrey tat er das vor einem Millionenpublikum. Stephen Frears will Armstrongs Karriere entlang des Fights zwischen dem Sportbetrüger und dem Enthüller erzählen.

Einiges ist also schon bekannt über den Film – nur auf einen Titel konnten sich die Macher noch nicht verständigen. Den kann ein anderes Spielfilmprojekt, in dem es um Lance Armstrongs Leben gehen soll, schon vorweisen. „Red Blooded American“ soll der Film heißen, dessen Vorlage ist das Buch „The Secret Race“ von Tyler Hamilton, dem ehemaligen Teamkollegen des verlogenen Siebenfach-Champions der Tour de France. Darin solle es vor allem um die Beziehung Armstrongs zu seinen Mannschaftskameraden gehen, darum, wie er sie unter Druck gesetzt hat, selbst zu dopen und bei Nachfragen gefälligst die Klappe zu halten. Warner Bros. konnte Hangover-Star Bradley Cooper als Produzenten gewinnen, und nicht wenig spricht dafür, dass er auch die Hauptrolle übernimmt.

Die Dreharbeiten haben jedenfalls noch nicht begonnen, und so sieht es ganz danach aus, als würde Frears’ Werk zuerst in den Filmtheatern zu sehen sein. Ein drittes Armstrong-Projekt, das von Paramount angestoßen worden war, scheint das Rennen um den ersten Armstrong-Spielfim im Kino schon aufgegeben zu haben. Die Produktionsfirma hatte sich die Rechte am Buch „Cycle of Lies: The Fall of Lance Armstrong“ der New-York-Times-Reporterin Juliet Macur schon lange vorm geplanten Erscheinungstermin im Februar 2014 gesichert. Seitdem ward nichts mehr gehört von dem Filmprojekt. Der Jubelfilm, den Sony mit Jake Gyllenhaal als Lance Armstrong drehen lassen wollte, ist schon lange ad acta gelegt worden. Die Drehbuchautoren hatten Armstrong doch tatsächlich alle Märchen geglaubt, die er über seine Leistungsfähigkeit nach überstandener Krebserkrankung immer wieder erzählt hatte.

Arg vertrauensselig dem sinistren Radler gegenüber war auch Dokumentarfilmer Alex Gibney. Der war gerade dabei, eine lobpreisende Doku über die Rückkehr Armstrongs in das Renngeschehen 2009 fertigzustellen, als der Radler plötzlich zugeben musste, dass all die schlimmen Dinge stimmen, die über ihn berichtet worden waren. Nach der Winfrey-Beichte änderte Gibney seinen Plan und wurde endlich kritisch. „The Armstrong Lie“ heißt nun sein Film. Er läuft am 8. November in den USA an. Gibney hat das Rennen um den ersten Armstrong-Film im Kino gewonnen.