DIE ABHÄNGIGKEIT VON EINER SERIE IST KEIN PROBLEM. SCHADE NUR, DASS DAS DEUTSCHE FERNSEHEN KEINE GUTEN SERIEN KANN
: Auch die Liebe bringt keine Erlösung

DAVID DENK

Gestern war ja Reformationstag, deswegen möchte ich heute über Luther schreiben. John, nicht Martin.

Wie, den kennen Sie nicht? John Luther ist die Hauptfigur der BBC-Krimiserie „Luther“ um einen genial-intuitiven Londoner Polizisten, der heillos in seine Fälle verstrickt ist. Ihm bin ich gerade verfallen. Der Titel ist noch das Konventionellste an der Serie von Neil Cross, in der der Protagonist Folge um Folge mehr Schuld auf sich lädt. Beide Luthers verbindet das Wissen, dass man seine Sünden nicht mirnichtsdirnichts loswerden kann. Sie verfolgen John und vermehren sich wie die Ratten an der Themse. Erlösung? Nicht in Sicht. Gott? Wahrscheinlich tot, zumindest desinteressiert. „Ein’ feste Burg ist unser Gott“ taugt nicht zum „Luther“-Soundtrack.

Der ist trotzdem grandios – oder eher: gerade deswegen – zumindest für Freunde britischer Indiemusik. In der blutrot-düster-dräuenden Titelsequenz singen Massive Attack „Love is like a sin my love“. Ja, auch die Liebe bringt bei „Luther“ keine Erlösung. Am Ende des grandios animierten Intros sieht man die Silhouette von John Luther im Profil, ein bulliger Schwarzer, allein, die Hände so tief in den Hosentaschen vergraben, als wollte er hinterherkriechen.

Idris Elba („The Wire“) als John Luther ist ein Ereignis – wie die Niagara-Fälle ein Ereignis sind, eine Urgewalt. 2012 wurde er für die Rolle mit einem Golden Globe ausgezeichnet. Wie ein angeschossener Bär schleppt Elbas Luther sich durch die Handlung, unendlich müde der Leib, der Geist aber hellwach. Beim Gehen wankt er wie ein Schiff in Seenot. Der Mann braucht Hilfe – doch niemand hilft dem Freund und Helfer außer Alice Morgan (spektakulär spooky: Ruth Wilson). Doch das macht auch alles nur wieder noch schlimmer: Morgan ist eine Mörderin, nicht verurteilt zwar, aber doch kein adäquater Umgang für einen Polizisten. Luther, der Verwundete, jedoch hat in ihr eine verwandte Seele gefunden. Als sie nach ihren Eltern einen korrupten Kollegen Luthers umbringt, befreit er sie aus der Klapse. Luther ist eine moralisch zwiespältige, aber nicht unmoralische Figur. Es ist die unmoralische Welt um ihn herum, die ihn immer wieder Grenzen übertreten lässt.

„Warum kriegt das deutsche Fernsehen so was eigentlich nicht hin?“, fragt mich mein Bruder, als wir uns gerade von Folge vier der ersten Staffel erholen. Darin tötet … nee, das muss man mit eigenen Augen sehen. Erholen jedenfalls ist keine Floskel. Ich stammle rum, irgendwas von der Übermacht der Redakteure bei den Öffentlich-Rechtlichen, mangelndem Mut und Können, Angst vor widersprüchlichen Figuren und Auslassungen. Weder er noch ich sind mit der Antwort zufrieden. Das Problem ist klar, eine Lösung aber in weiter Ferne.

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„Ich wusste gar nicht, dass die Briten auch so gute Serien machen“, sagt mein Bruder dann. Er sieht nicht viel fern, der Hype um HBO-Serien ist ihm aber nicht entgangen. Bevor er am Dienstag nach München zurückgefahren ist, wollte er unbedingt noch die letzten beiden Folgen der zweiten Staffel gucken. Die hat er mir jetzt voraus. Staffel drei ist so gut wie bestellt. Solange Nachschub in Sicht ist, ist Abhängigkeit kein Problem.