Wollen wir den Pokal wirklich?

ÄSTHETIK Schönheit ist kein vorrangiges Kriterium für Sport-Trophäen: Dass der DFB-Pokal so aussieht, wie er aussieht, kann man auch als Vorteil für den Verlierer verstehen

VON BENNO SCHIRRMEISTER

Er ist kein Bremer. Irgendwie wird er immer mit Koch und Bergfeld in Verbindung gebracht, weil die ja so ziemlich alles herstellen, Diplomatenbesteck, Goldene Kameras, die Champions-League-Trophy und den Ligapokal. Aber: Nicht den Pokal des Deutschen Fußball Bundes, auch wenn ihn die Handwerkskammer zum „Symbol Bremer Handwerkskunst“ hochjazzen will. „Das ist ein verbreiteter Irrtum“, klärt Uta Bernsmeier auf, Expertin für angewandte Kunst beim Focke-Museum. Wahr ist nur, dass die Repliken in der hiesigen Silbermanufaktur angefertigt werden.

Original und Entwurf aber stammen nicht von hier. Was wiederum erlaubt, ein wenig unbefangener das Erscheinungsbild des Pokals in den Blick zu nehmen, also ohne jetzt gleich als Nestbeschmutzer geschmäht oder des fehlenden Lokalpatriotismus bezichtigt zu werden. Oder finden Sie das Ding etwa schön? Hätten Sie ihn gern? Wollen wir diesen Pokal wirklich?

In Wirklichkeit stammt der DFB-Pokal aus dem Rheinland, genauer: aus der Stadt Wesseling. Die ist berühmt vor allem wegen ihrer petrochemischen Industrie und so riecht sie auch. Naja: drumherum liegen zudem noch Kohlfelder. Es gibt hier Wirsing, den der Rheinländer liebevoll Schawuur ruft, Weiß- und Rotkohl alias Kappes, Spruute, Kolleraawe sowie Karfiol, ach alle erdenklichen Sorten, für Kohl haben die Rheinländer ein Faible und deutlich mehr Namen als die Inouit für Schnee. Weshalb der 1. FC Köln, immer wenn er in den letzten 25 Jahren den DFB-Pokal gewonnen hat, den „Pott“ zuverlässig nicht mit Schampus, sondern mit Kohlsuppe gefüllt hat. Aber das nur am Rande.

Ob der mit breiten Klunkern besetzte Goldkelch nicht eher eine Zumutung ist, „das lässt sich natürlich immer fragen“, so Bernsmeier. Allerdings sei kunsthistorisch vor allem von Belang, ob der Gegenstand „Gestaltungsmerkmale seiner Zeit“ aufweise. Und das könne sie in Bezug auf den Pokal nur bejahen: „Es ist ein authentisches Stück der 1960er-Jahre“, so Bernsmeier.

Und es ist ja keine schlechte Traditionslinie, die das mit 6,5 Kilo schwere feuervergoldete Silbergefäß 1964 eröffnete. Immerhin hatte man sich damals endlich durchgerungen, nicht länger nur die Hakenkreuze des seit 1935 vergebenen Tschammerpokals zu überdecken, sondern einen echten Neuanfang zu wagen. Ohne Wettbewerb und Ausschreibung beauftragte der DFB den Goldschmied Wilhelm Nagel.

„Sport-Trophäen sind nur sehr selten künstlerische Avantgarde“, erläutert Bernsmeier. Sie dienen der Repräsentation, zudem müsse der Gegenstand Pathos vermitteln, „das bevorzugt bestimmte voluminöse Formen“. Dafür steht laut Bernsmeier spätestens seit dem 19. Jahrhundert bevorzugt ein „vulgarisierter Klassizismus“ mit starken Symmetrien. Einen konventionellen Aufbau aus Sockel, Schaft und Cuppa legen zudem der Name des Wettbewerbs, und auch die Herkunft des Trophäen-Schmiedes nahe: Das Rheinland ist katholisch. Und Messkelche anzufertigen, war dort auch in den 1960ern durchaus Teil des Goldschmiede-Tagesgeschäfts, üppiger Besatz mit überdimensionalen Edel- und Halbedelsteinen inklusive.

Hoher Materialwert und zur Schau getragener Prunk – das passt natürlich zum Fußball heute noch besser als damals. Viel mehr drückt das Gefäß aber nicht aus. Dynamik oder gar Besonderheiten des Sports – „hätten sich auch symbolisch fassen lassen“, moniert Bernsmeier. So aber „könnte genauso gut die Formel 1 gemeint sein“, denn die den Kelch umlaufenden, gravierten Ballspieler sind so austauschbar, wie der Inhalt. Der Pokal selber aber ist es nicht: Es ist, wie es ist, sagt man im Rheinland. Und so bleibt es auch. Und, immerhin, wir müssen auch an die Bayern denken: Eine unschöne Trophäe dämpft die Trauer des Verlierers.