Kamerun im Wedding

„Haben die Deutschen überhaupt eine Kultur? Manchmal schütten die Nachbarn von ihrem Balkon aus Wasser auf meine Gäste“, sagt die Wirtin vom Bantou Village

Der Tierfänger Carl Hagenbeck, der durch seinen Hamburger Zoo berühmt wurde, wollte Ende des 19. Jahrhunderts im damals langsam kommunistisch werdenden Berliner Arbeiterbezirk Wedding einen „Kolonialpark“ mit afrikanischen Tieren und Menschen eröffnen. Sein Projekt zerschlug sich jedoch. Stattdessen entstand dort ab 1899 das Afrikanische Viertel – bestehend aus modernen Wohnblocks (unter anderem von Mies van der Rohe und Bruno Taut). Die Straßen dazwischen wurden nach deutschen Kolonien und Kolonialisatoren benannt: Uganda-, Tanga-, Otawi-, Lüderitz-, Swakomunder und Windhuker Straße. Daneben gab es dort auch bald eine Kleingarten-Dauerkolonie namens Togo: Sie ist älter als der gleichnamige Staat. 1939 benannte man außerdem noch eine Allee nach Carl Peters – dem bis dahin brutalsten deutschen Kolonialpolitiker. Sie wurde jedoch 1986 aufgrund von Bürgerprotesten umbenannt – nach dem CDU-Politiker Hans Peters, was der in Berlin lebende „Afrikanische Diaspora“-Forscher Joshua Kwesi Aikins als eine bloße Umwidmung bezeichnet, denn sie heißt nach wie vor Petersallee.

Von einer langsamen Umdeutung kann man dagegen heute im Falle der Kameruner Straße sprechen, denn gerade dorthin sind viele Emigranten aus Kamerun gezogen. Darüber hinaus eröffnete im Haus Nummer 2 ein Kameruner Lokal namens Bantou Village.

Die Besitzerin, Susan Seitz, ist mit einem Deutschen verheiratet. Nachdem sie lange vergeblich nach einer Arbeitsstelle in Berlin gesucht hatte, beschloss sie vor etwa einem Jahr, sich selbstständig zu machen – mit einem Restaurant, in dem Afrikaner und Deutsche zusammenkommen, essen, trinken und reden können. Dies ist bisher aber noch so gut wie gar nicht passiert: Nicht nur, dass kaum Deutsche im Bantou Village verkehren, ihre deutschen Nachbarn rufen auch regelmäßig die Polizei, wenn es mal wieder zu laut im Restaurant wird – anstatt sich friedlich mit der Besitzerin darüber auseinander zu setzen.

Ich fragte Susan Seitz: „War es reiner Zufall oder großes Glück, über 6.000 Kilometer weit von Kamerun nach Deutschland zu fliegen, nur um hier ein kleines Lokal in der Kameruner Straße zu eröffnen?“

Susan Seitz: „Ich würde es Glück nennen. Der Laden stand leer, zufällig befand er sich in der Kameruner Straße – und was kann es Besseres geben für jemanden aus dem Kamerun, als ein Geschäft in einer Kameruner Straße zu haben?“

taz: „Haben Sie das Bantou Village nach Ihrem Heimatort in Kamerun benannt?“

Susan Seitz: „Nein, ‚Bantou‘ heißt so viel wie Zusammengehörigkeit, deswegen habe ich gesagt, es ist ein Ort, wo sich Leute aus verschiedenen Ländern und Kulturen treffen können, um sich besser kennen zu lernen.“

taz: „Läuft Ihr Geschäft eigentlich trotz fehlender deutscher Kundschaft gut in der schwierigen wirtschaftlichen Situation, in der dieses Land sich zurzeit befindet?“

Susan Seitz: „Wenn man einmal davon absieht, dass nur wenige Deutsche hierher kommen, kann ich mich nicht beklagen. Denn es ist doch immer noch besser, sich selbst zu helfen, als darauf zu hoffen und zu warten, dass man Unterstützung von der Regierung bekommt.“

taz: „Sie leben seit 1987 in Berlin und sind hier mit einem Deutschen verheiratet. Was denken Sie inzwischen über die Deutschen und ihre vielgepriesene Kultur?“

Susan Seitz: „Haben die Deutschen überhaupt eine Kultur? Ich weiß nicht so viel darüber, aber die meisten Deutschen scheinen davon auszugehen, dass Afrikaner Menschen zweiter Klasse sind. Einige mögen die Tiere mehr als wir die Menschen. Manchmal schütten die Nachbarn von ihrem Balkon aus Wasser auf meine Gäste.“

Frau Seitz fühlt, dass sie, ähnlich wie viele andere Ausländer, nicht gerade willkommen in Deutschland ist, dennoch ist sie dankbar, dass die deutschen Gesetze es ihr ermöglichten, hier zu leben. Auf die Frage nach ihrer sozialen Integration und ihrer Kenntnis der deutschen Kultur, winkte sie allerdings resigniert ab, obwohl sie mit einem Deutschen verheiratet ist. Sie sagt, sie habe keine deutschen Freunde, und ihr deutscher Ehemann habe auch nur wenig Freunde unter seinen Leuten, bloß ein paar Arbeitskollegen, mit denen sie sich aber auch nur selten treffen würden. In ihrer Antwort schwingt ein leises Bedauern mit, sodass der Eindruck entsteht, dass ihre Idee, das Bantou Village zu eröffnen, nicht zuletzt auch mit dem Wunsch zusammenhing, auf diese Weise mehr mit Deutschen zu tun zu bekommen.

Dies führt mich zu der Frage: Wie können die Deutschen von Ausländern erwarten, dass diese sich mehr für sie und ihre Kultur interessieren, wenn sie selbst nicht bereit sind, sich den Ausländern gegenüber zu öffnen? Man kann demgegenüber jedoch einwenden, dass die Deutschen auch aneinander nicht besonders interessiert sind. Es wird allerdings wohl langsam Zeit für sie, mehr über die Menschen in ihrem Land in Erfahrung zu bringen. BUSHDOCTOR TRUTH SEEKER