Das Thema

Wie hältst du’s mit dem Davidstern?

■ betr.: „Wie hältst du’s mit dem Davidstern?“, taz.nord vom 26./27. 10. 13

Der Artikel von Alexander Diehl, der sich den Anschein von Ausgewogenheit zu geben bemüht ist, zeigt seine wahre Intention durch das, was und wie (scheinbar nur leicht verfälscht) zitiert wird bzw. was nicht zitiert wird! So wird die klare Stellungnahme Galtungs gegen Antisemitismus nicht erwähnt, die ich selbst der taz damals zugeschickt hatte. Und es wird auch nicht erwähnt, dass Galtung, der mehrfach als Mediator im israelisch-palästinensischen Konflikt tätig war und zu vermitteln versuchte, mehrere Friedensvorschläge gemacht hat, die als Grundvoraussetzung die Anerkennung des Existenzrechts Israels hatten, explizit auf der im Artikel erwähnten Veranstaltung am 31. 5. 13 in Kiel.

Dass die infame Verunglimpfung Galtungs als „bekennender Antisemit“ von Alexander Diehl weiter kolportiert und mit der Bemerkung „Wie gerechtfertigt das ist, darüber herrscht nach der Veranstaltung so wenig Einigkeit wie zuvor“ verbunden wird, das ist ungeheuerlich! Galtung hat eindeutig auch bei dieser Veranstaltung sehr klar gegen Antisemitismus wie auch gegen alle rassistischen und fundamentalistischen Ideologien Stellung bezogen.

Welches Interesse haben Gruppierungen wie die Antideutschen daran zu versuchen, international renommierte Persönlichkeiten, die es wagen, die Politik der israelischen Regierung (!) zu kritisieren, mit einer gegen jede Aufklärung blinden Verfolgungswut mit der politischen Waffe „Antisemit“ zu diskreditieren und mundtot zu machen? Und welche Haltung nimmt die taz dazu ein? Ich habe Galtung nach der in der taz zitierten unverschämten Verleumdung damals eine Anzeige wegen Rufmordes empfohlen. Leider nimmt Galtung die hinter diesen Aktivitäten stehenden Gruppierungen nicht ernst. Er antwortete jetzt erneut: „let them do it – their problem; I was just invited by Haaretz to write a 900 word article on solutions – will do so in November and we can send them a copy.“

Und noch ein Wort zu dem scheinbar nur ganz leicht verfälschten Zitat in dem Artikel in der taz: Galtung hat gesagt, er glaube nicht, dass der Mossad hinter Breivik stehe, aber er gehe davon aus, dass die norwegische Polizei alle Hypothesen prüfen werde, so auch diese. Daraus macht der Autor des obigen Berichts: „zuvor hatte er es zumindest für möglich gehalten …“! Diese scheinbar kleine Ungenauigkeit im Zitieren macht doch einen entscheidenden qualitativen Unterschied!  MECHTHILD KLINGENBURG-VOGEL, Internationale Ärzte gegen Atomkrieg/Ärzte in sozialer Verantwortung, Kiel

■ betr.: „Wie hältst du’s mit dem Davidstern?“, taz.nord vom 26./27. 10. 13

Eigentlich ein ganz guter Text. Nur, ist diese These Galtungs antisemitisch? „Mit Blick auf die Weimarer Republik sprach er von angeblichen Unterlegenheitsgefühlen der ‚deutschen‘ Mehrheit gegenüber einer Minderheit, den Juden, die mit ökonomischer und kultureller Macht ausgestattet gewesen seien, aber nicht mit politisch-militärischer.“ Das ist objektiv kaum zu bestreiten. Minderwertigkeitskomplexe der Mehrheitsbevölkerung und überproportional große ökonomische und kulturelle Macht der jüdischen Minderheit gab es in der Tat. Dem Autor sei dieses Buch von Götz Aly empfohlen: „Warum die Deutschen? Warum die Juden?: Gleichheit, Neid und Rassenhass – 1800 bis 1933“.  MONDSCHEIN, taz.de

■ betr.: „Wie hältst du’s mit dem Davidstern?“, taz.nord vom 26./27. 10. 13

@Mondschein Überproportional? Zahlen bitte. Es stimmt einfach nicht, dass alle Juden total reich waren: Die meisten waren wirtschaftlich auch nicht besser gestellt als Mitglieder anderer Religionen. Genauso gut könnte man Leute nach Einkommen und Wandfarbe des Wohnzimmers fragen, wobei man auch feststellen würde, dass bei irgendeiner Farbe das durchschnittliche Einkommen höher ist. Trotzdem gibt es wohl kaum einen Zusammenhang zwischen beiden Dingen.  JAY, taz.de

■ betr.: „Wie hältst du’s mit dem Davidstern?“, taz.nord vom 26./27. 10. 2013

@Jay: Vor dem Ersten Weltkrieg hat ein deutscher Jude im Schnitt das Fünffache (!) eines deutschen Christen verdient. Die Zahl stammt aus dem Buch von Aly, das ich bereits genannt habe. Diese ökonomische Erfolgsgeschichte erklärt sich u. a. durch den qualitativen Bildungsvorsprung der Juden, der kulturell und auch durch politische Faktoren (z. B. Verbote gewisser Berufe) begründet ist. Natürlich gab es auch arme Juden, aber wenig. Selbstverständlich ist der ökonomische Neid und das daraus resultierende Minderwertigkeitsgefühl aber nur eine von vielen Ursachen des Antisemitismus.

MONDSCHEIN, taz.de

■ betr.: „Wie hältst du’s mit dem Davidstern?“, taz.nord vom 26./27. 10. 13

Antideutsch nur als positiv oder negativ gemeintes Labeling in linken Debatten zu imaginieren, greift zu kurz. Im Begriff Antideutsch drückt sich ein Streit um die richtige Theorie und Praxis unter Linken aus. Es ist, im Bewusstsein der Shoah als deutschem Menschheitsverbrechen, ein Streit um die Verortung im Land der Dichter und Henker: Was und wie kann radikale linke Politik nach Auschwitz sein?

Es bleibt aber auch festzustellen, dass es antideutsche Positionierungen, Filme, Propaganda auch schon vor der Shoah, sogar vor dem Nationalsozialismus gab. Sie richtete sich auch davor gegen deutsche Großmachtpolitik. Auch das aktuelle, aggressive deutsche ökonomische wie wirtschaftspolitische Hegemoniestreben zur Abwälzung der Finanzkrise auf die Werktätigen und Bedürftigen hat in Südwesteuropa zur Zunahme antideutscher Statements geführt. Antideutsch ist für mich, wenn’s gut läuft in Debatten, kein Distinktionsmerkmal, sondern eine Aufforderung, sich beim Formulieren linker Kritik, linker Praxis der besonderen Geschichte dieses Landes zu stellen.  FIETE STRANDLÄUFER, taz.de

Unsere letzte Wochenendausgabe zum Thema „Linker Antisemitismus“ hat kontroverse Reaktionen ausgelöst: Über den Auftritt des norwegischen Friedensforschers Johan Galtung in Kiel habe die taz schief berichtet, sagen diejenigen, die Galtung eingeladen hatten. Andere diskutieren die Frage, ob Juden im Kaiserreich ökonomisch erfolgreicher waren als Christen – und ob das einer der Gründe für die Shoah gewesen sein könnte.