Die Avantgarde des Salon-HipHop

COMEDY-CHANSON Pigor & Eichhorn stellen ihr neues Programm in der Bar jeder Vernunft vor

Was man in drei Minuten nicht alles machen kann: einen Kurzvortrag über die Tonalität bei Wagner halten – oder über die Grundregeln des Esperanto. Oder einen Dreiminutenschlaf einlegen, einen Power-Nap. Für drei volle Minuten löschen Thomas Pigor und sein Begleiter, der Pianist Benedikt Eichhorn, das Licht im Saal und laden ihr Publikum zum Kollektivnickerchen ein. Was der Witz daran ist? Dass das vor ihnen noch keiner gemacht hat und sie damit Bühnengeschichte schreiben.

Aufgeweckt geht es ansonsten zu im neuen Bühnenprogramm von Pigor & Eichhorn , das als Pseudomatinée beginnt, im Morgenmantel und mit Croissants. Das Duo erweitert die Grenzen dessen, was man sich unter Kabarett, Comedy und satirischem Chanson so vorstellen kann. Für ihre Melange aus Alltagsbeobachtungen, Gesellschaftskritik und Politkommentaren haben sie selbst mal das Wort vom „Salon-HipHop“ geprägt. Jetzt, fast 20 Jahre nach ihrer Premiere als Duo, sinnieren sie darüber, was dieses Wort heute noch bedeuten kann, wenn in Berlin ständig neue „Salons“ ins Leben gerufen werden. So kann es gehen, wenn man seiner Zeit voraus ist.

Wer die „Chansons des Monats“ verfolgt hat, die Thomas Pigor seit einiger Zeit für den SWR 2 schreibt, dem dürften einige Stücke des neuen Programms bekannt sein: etwa die Liebeserklärung an den geplanten Airport in der Hauptstadt des Schlendrians, die mit der Losung „Mister Wowereit, open this gate!“ beginnt. Mit seinen bissigen Oden an den heterosexuellen Mann, der seiner Frau die Handtasche hält („Erniedrigend“), stets die Teller seiner Kinder aufisst („Hausschwein“) oder zum Berserker wird, weil die Gäste ihm mit ihrem mitgebrachten Wein in der Küche herumpfuschen („Gastgeber“), ist Pigor nah am Alltag.

Was Pigor und Eichhorn aber auch auszeichnet, ist ihre enorme musikalische Bandbreite. Die moderne Plage mit „To-do“-Listen und lästigen Pflichten werden im Stil einer Kurt-Weill-Moritat aufgegriffen, der Kommentar zur NSA-Spähaffäre wird als alpenländisches Blasmusikvolkslied serviert. Und wenn Pigor seine Hymne an den deutschen Heimwerker anstimmt, der im Baumarkt sein Glück findet („Einer bohrt noch“), klingt das wie ein englischer Worksong. Oft funktioniert das Vorgetragene dabei wie ein guter Popsong – und selten dauert es länger als drei Minuten. DANIEL BAX

■ Bis 10. 11., Bar jeder Vernunft, Schaperstr. 24, Charlottenburg