Lärmschutz geht auf die Ohren

Umweltverbände und Flughafenbetreiber kritisieren das neue Fluglärmgesetz. Umweltschützer sehen Gesundheitsgefahr, Airports fürchten mehr Lärm-Klagen. Denn durch das Gesetz kann sich der Fluglärm verstärken

BERLIN taz ■ In seltener Eintracht sind sich Umweltschützer und Flughafenbetreiber einmal einig: Das gestern im Umweltausschuss diskutierte Fluglärmgesetz ist ihrer Meinung nach unzureichend – vom Lärmschutz bis hin zur Bebauung im Umfeld von Flughäfen.

Der noch von Rot-Grün stammende Gesetzentwurf soll das veraltete Lärmschutzgesetz aus dem Jahre 1971 ersetzen. Das neue Fluglärmgesetz soll vor allem für mehr Lärmschutz sorgen. Die Flughafenbetreiber hoffen dadurch die Klagen von Anwohnern zu verringern. Das Engagement fällt ihnen nicht schwer, weil nicht sie, sondern letzten Endes die Fluggesellschaften für den Lärmschutz bezahlen müssen.

Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) und die Bundesvereinigung gegen Fluglärm (BVF) lehnen die Gesetzesnovelle in ihrer jetzigen Form ab. „Der Schutz der Anwohner vor Lärm wird verschlechtert“, sagte BUND-Verkehrsexperte Werner Reh. Bei einige Flughäfen würden die Lärmgrenzwerte durch das neue Gesetz sogar steigen. In Berlin-Schönefeld, Hamburg oder Düsseldorf würden die Lärmschutzzonen schrumpfen, da diese Airports schon mit niedrigeren Grenzwerten arbeiten.

Auch die Flughafenbetreiber sind mit dem Gesetzentwurf nicht zufrieden. „Die Regelung ist sehr lückenhaft. Wohnbebauung in unmittelbarer Nähe zu den Flughäfen wäre demnach noch möglich“, sagte Walter Vill, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Flughäfen (ADV). Dadurch könnten Lärmklagen zunehmen. Vill regte an, die Lärmschutzzonen auszuweiten. „Wir brauchen endlich Planungssicherheit und verbindliche Grenzwerte“, sagte auch Wolfgang Klapdor, Direktor des Flughafens Köln/Bonn.

Die bereits im Kabinett gebilligte Novelle erlaubt Grenzwerte für einen Lärmdauerschallpegel von 65 Dezibel am Tag. Gesundheitsexperten zufolge steigt ab dieser Lautstärke die Gefahr für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Nachts sind 55 Dezibel vorgesehen – das entspricht einem Radio in Zimmerlautstärke. An Militärflughäfen sind laut Gesetz etwas höhere Werte zulässig.

Doch den Umweltschützern ist das zu wenig: Sie fordern eine weitere Verringerung der Grenzwerte um mindestens fünf, besser um zehn Dezibel – das entspräche nur noch einem Zehntel des geplanten Grenzwertes. Zudem gebe es zu wenig aktiven Lärmschutz wie Nachtflugbeschränkungen oder lärmarme Flugzeuge, kritisierte BVF-Präsident Helmut Breidenbach. Stattdessen sei im Gesetz lediglich ein passiver Schutz vorgesehen, etwa Schallschutzfenster für Anwohner, deren Kosten letztlich die Airlines tragen sollen.

Allerdings schätzen die Umweltschützer den daraus resultierenden Preisaufschlag für Fluggäste geringer ein als der Bund. Während Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) von einer Verteuerung der Flugtickets um ein bis zwei Euro sprach, werden sich laut BUND die Kosten nur um 38 Cent pro Ticket erhöhen. „Man sollte aber besser dafür sorgen, dass Lärm gar nicht erst entsteht“, sagte Breidenbach. GESA SCHÖLGENS