DIE ZERLEGTE ZAHL
: 17 Mafiosi

Lea Garofalos sagte gegen die Mafia aus – und wurde ermordet. Jetzt führen ihre Hinweise zu Festnahmen

Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Erpressung, Drogenhandel, Mord – den 17 mutmaßlichen Mitglieder der Mafiaorganisation ’Ndrangheta, die der italienischen Polizei am Donnerstag während einer landesweiten Operation ins Netz gingen, war klar, dass jemand nach ihnen suchte. Dass die Gefahr, erwischt zu werden, in den letzten Jahren allerdings größer geworden ist, ist auf eine mutige Frau zurückzuführen.

Lea Garofalo kannte das Risiko. Ihr Vater, ihr Bruder, ihr Mann – jeder war ein Boss in der Welt der kalabrischen ’Ndrangheta, des umsatzstärksten Syndikats der Welt. Trotzdem entschied sie sich im Jahr 2002 nicht nur auszusteigen, sondern auch umfassend auszusagen. Ob der italienische Staat alles getan hat, um seine Zeugin zu schützen, ist bis heute umstritten. Am 24. November 2009 jedenfalls wurde sie von ihrem Exmann und anderen Ehrenmännern in eine Falle gelockt und mit einem Kopfschuss hingerichtet, ihr Leichnam verbrannt.

Nachdem keine Spur von Lea Garofalo zu finden war, zirkulierte zunächst die Meldung, ihr Körper sei in Säure aufgelöst worden. Die klassische „Lupara bianca“, eine Art von Terror über den Tod hinaus. Denn ohne Leichnam kein Delikt, keine Gewissheit, welches Ende der geliebte Mensch genommen hat.

Lea Garofalo war Mutter einer Tochter, deren Vater auch der Mörder ihrer Mutter ist – und der deswegen im Mai dieses Jahres rechtskräftig zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Rechtskräftig ist wichtig: Denn ob die italienische Justiz gegen die geballte Anwaltsmacht der ’Ndrangheta bestehen kann und aus Lea Garofalos Opfer nicht nur die Heldenmeldung des Tages, sondern tatsächliche Strafen schmieden kann, ist keineswegs sicher.

Lea Garofalo hat aber in jedem Fall etwas verändert. Der letzte Teil ihres Dramas spielte sich nämlich in Norditalien ab. Und obwohl in Sedriano vor zwei Wochen erstmals eine Kommunalregierung in der Lombardei wegen Unterwanderung durch die ’Ndrangheta aufgelöst wurde, sieht man dort die Mafia immer noch gern als Phänomen, von dem man selbst nicht betroffen ist.

Lea Garofalo aber kann man nicht mehr übersehen. Die linke Stadtregierung von Mailand hat einen Park nach ihr benannt. AMBROS WAIBEL