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: Kabinettflucht in Polen

Nach dem Rechtsruck reichen Minister und Beauftragte Rücktrittsgesuche ein. Vize-Regierungschef verurteilt

BERLIN afp/dpa ■ Die Bildung der konservativ-nationalistischen Koalition in Polen und der damit verbundene Rechtsruck hat eine Rücktrittswelle in der Regierung ausgelöst. Nach Außenminister Stefan Meller reichten die Deutschland-Beauftragte Irena Lipowicz und Gesundheitsminister Zbigniew Religa gestern ihre Rücktrittsersuche ein.

Ministerpräsident Kazimierz Marcinkiewicz lehnte es jedoch „vorerst“ ab, den parteilosen Experten Religa gehen zu lassen, teilte ein Regierungssprecher mit. Zunächst solle die Parlamentsdebatte über die Reform des Gesundheitswesens vorbereitet werden. Der Nachfolger Mellers soll voraussichtlich heute bekannt werden.

Die national-konservative PiS, die bisher ohne Mehrheit im Parlament war, regiert seit Freitag mit der populistischen Bauernpartei Samoobrona von Andrzej Lepper und der ultrakatholischen LPR. Beide Parteien waren gegen den EU-Beitritt Polens. Politiker der LPR fielen zuletzt wegen antisemitischer Äußerungen, Ablehnung der Gleichstellung Homosexueller und eines liberaleren Abtreibungsrechts auf.

Lepper, der neue Agrarminister und Vize-Regierungschef, wurde gestern wegen Rufmordes rechtskräftig zu einer Haftstrafe von 15 Monaten auf Bewährung verurteilt. Der Samobroona-Chef hatte in einer Parlamentsrede 2001 zwei sozialdemokratische Minister und drei Vertreter der liberalen Bürgerplattform der Korruption bezichtigt. 2005 war er bereits in erster Instanz zum gleichen Strafmaß verurteilt worden. Der EU-Gegner Lepper kündigte an, er werde das Urteil vor dem EU-Menschengerichtshof anfechten.

(siehe portrait unten)