Jörg Sundermeier sichtet die soziale Bewegung in der Stadt

Am Montag wird im Café Sibylle noch einmal über den Demjanjuk-Prozess gesprochen, zu dem ja viele ein gespaltenes Verhältnis haben. Einerseits will sich Deutschland mithilfe dieses Prozesses als neuerdings antifaschistischer Staat beweisen, der gegen Nazis nun mit aller Härte vorgeht, andererseits haben viele Mitleid mit dem Angeklagten, der sich als bemitleidenswertes Opfer einer Justizfarce stilisiert und seine Gebrechen medial ausweidet. Heute Abend nun spricht Kurt Gutmann, der Nebenkläger im Prozess ist, und dessen Mutter durch Demjanjuk und seine Kameraden ermordet wurde. „Jetzt zu erleben, dass dieses entsetzliche Unrecht auch als solches behandelt wird, ist schon eine Art Befreiung“, sagt er. Denn die Leiden der Opfer Demjanjuks werden bei aller ausgestellten Menschlichkeit noch immer gern vergessen. Morgen wird in der Baiz das Buch „Kein polnischer Staatsbürger“ von Viktoria Korb vorgestellt, in dem es um den Antisemitismus im kommunistischen Polen geht. 1968 nämlich wurden die dortigen Studentenunruhen genutzt, um Juden, die oft nicht einmal wussten, dass sie solche sind, aus der Gesellschaft auszugrenzen und in antisemitischer Tradition – als Internationalisten, Zionisten etc. – zu verfolgen. Ein auch heute noch gern von den Verklärern des Staatskommunismus geleugnetes Verbrechen. Am Mittwoch wird in einem Raum, der passenderweise Raumerweiterungshalle heißt, über „Strategien feministischer politischer Praxis“ diskutiert – und die Frage verfolgt, wie der Feminismus wieder stärker politisch wirken kann. Am Donnerstag spricht Tanja Maier im OSI über die „Transformationen medialer Geschlechterbilder“ – ein, wie die Männerbewegung und ihr Erfolg zeigt, arg drängendes Thema, denn Focus, Spiegel und alle andere sehen ja den Mann unterdrückt in der patriarchalen Gesellschaft.

■ Demjanjuk: Café Sibylle, Karl-Marx-Allee 72, Mo., 18.30 Uhr ■ Antisemitismus: Baiz ,Christinenstr. 2, Di., 19 Uhr ■ Feminismus: Raumerw.halle, Markgrafendamm 24, Mi., 19 Uhr ■ Geschlechterbilder: Freie Universität, Ihnestr. 21, Do., 18 Uhr