Kunstrundgang
: Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um

Bis 30. Mai, täglich 9–20 Uhr, DGB-Haus am Wittenberg Platz, Keithstr. 1–3

Religion als Bekenntnis ist ein Oberflächenphänomen. Leila Pazooki, 1977 in Teheran geboren, filmte und interviewte in der nächtlichen Hauptstadt für ihr Video „Granatapfel-Teheran“ eine attraktive junge Frau. Ihr Kopftuch und die körperverdeckende Kleidung schreiben ihr die religiösen Gesetze des Landes vor. Doch tatsächlich folgt die junge Frau einer ganz anderen Orthodoxie. Mit einer Inbrunst, die sich sonst die Religion vorbehält, betet sie die Namen aller Luxusmarken des Konsumismus herunter, die sie am Leib trägt. Doch, sie ist eine fromme und züchtige Frau. Nur heißt ihre Religion Gucci und der Prophet Tom Ford. Kein Wunder, dass richtige Religionen zur Gewalt greifen. Verlockung ist leider keines ihrer Mittel.

Und doch scheint in der religiösen Tracht ein starkes Moment der Verführung auf. Mira Bergmüller hat den Meisterbrief als Holzbildhauerin, spezialisiert auf gotische Faltenschnitzerei. Der Faltenwurf individualisiert die Heiligen, ist ihrem Video zu entnehmen. Auch das Heilige ist also ein Oberflächenphänomen. Deshalb wird Bergmüller ihre Heiligen nicht los. 35 winzige, artistisch geschnitzte Zeitgenossen auf Stelen hat sie in einer Vitrine versammelt, Geschäftsleute, Hausfrauen, Studenten oder Arbeiter. Man darf wetten, dass sie insgeheim St. Anna, St. Johann oder St. Barabas heißen.

Gabriel Heimlers von Expressionismus und Pop-Art geprägte Malerei wirkt dann im Konzept der Ausstellung im DGB-Haus am Wittenbergplatz eher deplatziert. Zu direkt hantiert der Begründer der Berliner Künstlergruppe Meshulash mit dem biblischen Personal, zu fraglos mit der Botschaft des Alten Testaments. Nur im Film haben die 24 Leinwandrollen eine profane Referenz. Er liefert hier die alltägliche Oberfläche, an die das Heilige und das Unheilige allen Glaubens gespült wird.