WARUM NUR ITALIEN DEN EINZIGEN WELTENRETTER KENNT
: Der wahre Spiritus Rector

„Gott sei Dank gibt’s Silvio“, heißt es in der bisher bloß in Italien gesungenen Hymne seiner Partei

VON MICHAEL BRAUN

Ein tiefes Aufatmen ging am vergangenen Montag durch Europa: Der Euro war vorerst gerettet. Ärgerlich nur, dass die europäische Öffentlichkeit gar nicht so recht den Retter würdigte, ja dass er praktisch inkognito blieb. Oder hätten Sie es gewusst? Es war – Silvio Berlusconi. „Um ein Uhr nachts“, so teilte jedenfalls ein Kommuniqué der italienischen Regierung mit, sei „der entscheidende Impuls“ aus Rom gekommen, habe Silvio Angelas „Blockierung gelöst“.

Da hat Europa noch mal Schwein gehabt. „Gott sei Dank gibt’s Silvio“, heißt es in der bisher bloß in Italien gesungenen Hymne seiner Partei „Volk der Freiheit“, aber jetzt dürfen die Bürger des ganzen Kontinents einstimmen. Oder gleich die Bürger der ganzen Welt. Denn Berlusconi ist mittlerweile routiniert darin, globale Katastrophen abzuwenden, ohne dass irgendjemand was bemerkt.

Zum Beispiel beim Start2-Abkommen zwischen den USA und Russland zur drastischen Verringerung der Atomwaffenarsenale: Nur einfach gestrickte Gemüter denken sofort an Obama und Medwedew als Autoren des Vertrags. Dabei waren die bloß brave Befehlsempfänger – der Spiritus Rector hieß natürlich Silvio. Beim G-20-Gipfel im Frühjahr 2009 „sagte ich den beiden, ich lade euch nicht zum G-8-Gipfel in l’Aquila ein, wenn ihr vorher nicht den Vertrag unterschrieben habt“. Natürlich parierten die beiden Weltenlenker sofort. Sie wussten schließlich, mit wem sie es zu tun hatten: mit dem Mann, der auch schon den Krieg zwischen Russland und Georgien beendet hatte. Gekümmert hatte sich zwar Frankreichs Präsident, mit einer Blitzreise nach Moskau, aber: „Gott sei Dank habe ich den guten Sarkozy hingeschickt, weil er schon vor Jahren mal als Rechtsanwalt für mich tätig gewesen war.“

Nur einmal ging ihm die Vermittelei schief: beim EU-Gipfel zur Verfassungsreform im Herbst 2003 in Rom. Gastgeber Berlusconi hatte schon vorab getönt, er habe den ultimativen Kompromissvorschlag „in der Tasche“. Doch bei der Sitzung der Regierungschefs kam heraus, dass die Tasche leer war; der Verfassungsgipfel scheiterte.

Seine Lektion hat der Mann damals gelernt. Die eigene Rolle würdigt er seitdem nicht mehr im Vorfeld: Erst im Nachhinein meldet er sich nun stets zu Wort, wenn ein Desaster abgewendet wurde. Nach der Rettung des Euro jedenfalls beeilten sich die TV-Nachrichten auf allen Kanälen, den staunenden Bürgern Italiens brühwarm die Geschichte vom wahren Währungs-Herkules zu erzählen.