Süße Verführung und Exotik in Berlin

AUS DEM CAFÉ EINSTEINBARBARA BOLLWAHN

Verführen soll es, munden und Appetit machen auf mehr. Europa kam auch in Berlin als Süßigkeitenteller daher. Kanelbulle aus Schweden, Scones aus Irland, Laskiaispulla aus Finnland, Baklava aus Zypern, Streuselkuchen aus Deutschland oder Gugelhupf aus Österreich. „Wir diskutieren zu wenig über Europa“, sagte der österreichische Botschafter Christian Prosl zur Eröffnung des Europatages im „Café Einstein“, einer Stadtvilla in der Kurfürstenstraße im alten Westberlin, bevor er sich verführen ließ. „Das Emotionale kommt zu kurz.“ Europa habe in der Vergangenheit viele Fehler gemacht, die Distanz zwischen Brüssel und den Bürgern müsse kleiner werden.

Auch die Moderatorin des „Café d’Europe“, Luzia Braun, die normalerweise das Kulturmagazin „aspekte“ moderiert, betonte, dass es nicht um ein abstraktes Europa gehe, sondern um die „Entdeckung der kulturellen Vielfalt“ und darum, „Stories of Europe“ in die ausliegenden Notizblöcke zu schreiben. Wie das geht, machte die bekannte Schriftstellerin Eva Demski vor, die aus ihrem neuesten Buch las. „Das siamesische Dorf“ ist ein Roman über einen Europäer, der in Thailand lebt und das Land liebt, weil er es nicht begreift. Ein Blick also von außen auf Europa und den Umgang mit dem Fremden. Eva Demski nannte eine Art, damit umzugehen: „Lieben, lernen, scheitern.“ Und sie erzählte von einer „ulkigen Beobachtung“ in Thailand. „In der Fremdheit mit Asien wird Europa etwas Einziges.“

Zwei Tische waren von Schülerinnen und Schülern des Berliner Kant-Gymnasiums besetzt. Als eine von 205 Schulen in Deutschland hatten sie an dem WM-Projekt „Fair play for fair life“ teilgenommen und die Botschafterrolle für das Fifa-Land Österreich repräsentiert. So kam es, dass auch sie sich gestern verführen lassen sollten. „Die Chance für Europa heißt Neugier“, sagte Eva Demski in ihre Richtung. „Das setzt eine gewisse Zuneigung voraus, die zur Liebe werden kann, Scheitern eingeschlossen.“ Als ein Gymnasiast sagte, dass Europa „zu nah und zu wenig exotisch“ sei, um Neugier zu wecken, empfahl die Autorin eine Reise ins Donaudelta. „Sie werden dort mehr Exotik kennen lernen, als Sie auf nüchternen Magen vertragen.“ Europa könne durchaus exotisch sein. Man müsse nur die Autobahn verlassen.

Auch der österreichische Botschafter gab sich alle Mühe, die Reiselust zu wecken. Er erzählte, wie er mit dem Auto nach Indien gefahren und zu Fuß durch Spanien gelaufen ist. „Es kommt auf die Form des Reisens an.“ Es war ein Appell, der zu spät kommt. Die jungen Europäerinnen und Europäer fahren nach dem Abitur in die spanische Touristenhochburg Lloret del Mar, all inclusive.