LESERINNENBRIEFE
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Blasphemie

■ betr.: „Sex in der Kirche“, taz vom 13. 5. 10

Heute morgen war ich voller Entsetzen über die provokante Frontseite Ihrer Zeitung. Dass der Titel Ihres Hauptartikels „Sex in der Kirche“ mit einem abgebildeten Kruzifix verbunden wird, ist nicht nur blasphemisch. An Blasphemie in der Presse ist die Christenheit übrigens gewöhnt. Aber dass ein Sexskandal auf solch provokanter Weise mit dem Leiden eines unschuldigen und zutiefst barmherzigen Menschen in dieser Verbindung gebracht wird, ist menschenverachtend. Es macht mich als Christin und Mensch zutiefst traurig. RENS DIJKMAN-KUHN, Hamburg

Pfaffenfressertum

■ betr.: „Ihr könnt uns mal“, Kirchentaz vom 12. 5. 10

Liberales Pfaffenfressertum aus dem 19. Jahrhundert in allen Ehren, aber manchmal kann es blockieren. Wie viele Missbrauchsopfer aus den unterschiedlichsten Lebenszusammenhängen müssen sich noch outen, bis endlich niemand mehr seinen Lieblingsfeind – so böse er auch sein mag – dafür verantwortlich macht? Nein, nicht Protestanten, Katholiken, Kirche, Heteros, Schwule, Fünfzigerjahre, Heime, Fundamentalismus, Papst, Zölibat, 68er, Feinde der 68er, Armee, Internat, Kloster, Schule, Klein- und Großfamilie, Patriarchat, Pfadfinder, Emanzen … sind Ursache des Missbrauchs an Kindern, sondern die unkontrollierte Macht über sie. Deshalb ist er so flächendeckend verbreitet und so schwer zu bekämpfen. CHRISTINE GRAB, Schönau

Wahnvorstellungen

■ betr.: „Bekifft am Kreuz“, taz-Wahrheit vom 12. 5. 10

Religiöse fordern von anderen, dass man ihren „Wahnvorstellungen“ (Michael Gückel) mit Respekt begegnen soll. Der taz-Autor zeigt, was viel angemessener ist: Man muss sich darüber lustig machen. Christen haben es ja einigermaßen akzeptiert, dass man über ihre Religion ungestraft auch lästern darf. Muslime müssen das noch lernen. Darum hoffe ich sehr, dass demnächst in der taz eine ähnliche Glosse über Mohammed zu lesen ist. Sehr gut, dass die Kirchentaz ausführlich über die Homosexuellenfeindlichkeit der Kirche berichtet. Die sexuelle Verklemmung, Körperfeindlichkeit und Homophobie ist in der islamischen Welt jedoch noch viel ausgeprägter als bei den Christen. Auch darüber sollte in der taz ausführlich berichtet werden, anstatt alberne „Kopftuchmädchentipps“ über das iPhone zu verbreiten. OTTO ULLRICH, Berlin

Plattitüden

■ betr.: „Sex in der Kirche“, taz vom 13. 5. 10

Die großen Lettern „Sex in der Kirche“ könnten vom Springer Verlag abgeguckt sein. Und erst recht das viele bloße Fleisch, das sich voyeuristischen, gierigen Blicken gar nicht entziehen kann! Worum geht es inhaltlich? Ach ja, in kleinen Ziffern wird mir etwas über Religion mitgeteilt. Etwa 100.000 Menschen versammeln sich in München zum (Ökumenischen!) Kirchentag. Und das alle bewegende Thema ist sexueller Missbrauch in den eigenen Reihen – Sex und Crime!

Ich blättere weiter: Mir begegnet das seit ewigen Zeiten beanspruchte Thema: Wie geht Kirche mit Körperlichkeit um? Gelangweilt lege ich diese Sondernummer in die Ablage „Plattitüden über Kirche“.

Vorschlag: Statt dumpfsinniger Themenauswahl könnte man ja einmal Christinnen oder Christen zu Worte kommen lassen. Junge Leute, die ja trotz aller berechtigten Kritik an und Entgleisungen in der Kirche etwas suchen. Der Kirchentag hat ein junges Gesicht! Was glauben und hoffen sie? Gibt es erneut einen politisch gefärbten Glauben? Wie erfahren Christen die globale Finanzwelt? By the way: Meine Kirchengemeinde führt seit Jahrzehnten Segnungen gleichgeschlechtlicher Partnerschaften durch (das zum Thema Körperlichkeit und Aufarbeitung kirchlicher Altlasten!). Gestattet mir ein letztes Wort zu den Bildern: Ich finde sie geschmacklos und übergriffig. Blasphemisch auch in dem Sinne, als dass ich als evangelischer Christ (und Pastor) in meinem Glauben verletzt werde. Das Kruzifix in Verbindung mit Sex zu bringen, ist eine grobe Missachtung der für ChristInnen heilswichtigen Person Jesus Christus. Einen halbnackten Sterbenden sexuell zu instrumentalisieren, ist jenseits jeglichen Geschmacks. REINER KUHN, Hamburg

Jesuanisches

■ betr.: „Ihr könnt uns mal“, Kirchentaz vom 12./13. 5. 10

Mit vielen Feststellungen in seinem Artikel trifft Jan Feddersen mit Sicherheit den Nagel auf den Kopf. Ausgesprochen störend finde ich aber den Hang des Autors zum „Jesuanischen“. Er spricht von einer „jesuanisch inspirierten Wende“, von „jesuanischer Gesamtgeborgenheit“, von der „jesuanischen Botschaft“ und sogar von einer „jesuanischen Tafel“. Anscheinend möchte Herr Feddersen hinter den Jesus des Neuen Testaments „zurück“, um diesem alles zuzuschreiben, was er für human und wünschenswert hält. Aber wir wissen über den historischen Jesus und seine „Botschaft“ nur sehr wenig. Einigermaßen sicher ist, dass er nicht die Gründung einer Religion im Sinne hatte. Die Evangelien wiederum sind keine Jesus-Biografien, sondern sie geben die Verkündigungssituation der frühen Christengemeinde wieder. Positionen, die damals gerade aktuell waren (zum Beispiel die beginnende Abgrenzung gegenüber dem Judentum), wurden Jesus zugeschrieben oder in den geschilderten Gang der Ereignisse „eingebaut“. WINFRIED SCHUMACHER, Köln