DIE GESELLSCHAFTSKRITIK
: Bitte spezifizieren

WAS SAGT UNS DAS? Papst Franziskus will’s jetzt wirklich wissen: Wie geht es seinen in Sünde lebenden Schäfchen? Und womit verdienen sie das Geld, das sie auf die Konten bei der Vatikanbank einzahlen?

Unter Papst Franziskus wendet sich der Vatikan einer für ihn völlig neuen Aktivität zu: Er versendet Fragebögen, mal eher als Detektei, mal mit dem Gestus eines Meinungsforschungsinstituts.

Post bekamen in den letzten Wochen zunächst die knapp 20.000 Kontoinhaber der Vatikanbank IOR. Über Jahrzehnte hinweg ging dort alles – Schwarzgeld parken, Weißwaschen von Millionenerträgen aus Korruptions- und Mafiageschäften. Diskretion war Ehrensache. Jetzt aber stellt die IOR-Direktion unbequeme Fragen, weshalb sie sich im Anschreiben bei den werten Kunden „sogleich für eventuelle Unannehmlichkeiten entschuldigt“, dann aber einen Fragebogen anhängt, in dem „die Hauptquellen, aus denen Mittel auf Ihr Konto geflossen sind“, anzugeben sind: von Erbschaft über Einkommen zu Geschäftstätigkeit („bitte spezifizieren“) und „anderem“ (ebenfalls „bitte spezifizieren“). Eines mag man aus der Kundenbefragung des IOR heraushören: das Bewusstsein, dass sich in allzu langen Jahren allzu wenig am Geschäftsgebaren der Bank Gottes geändert hatte.

Allzu viel Veränderung ist dagegen der Ausgangspunkt der zweiten Fragebogenaktion des Vatikans. Papst Bergoglio meint, die Kirche stehe vor „nie da gewesenen Problemen“, und bittet deshalb alle Bischöfe weltweit um Auskunft zu einem ganzen Strauß moralischer Fragen.

„Welche pastorale Aufmerksamkeit kann man gegenüber Personen zeigen, die entschieden haben, in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zu leben?“ Und: „Wie kann man im Falle, dass sie Kinder adoptiert haben, pastoral handeln mit Blick auf die Weitergabe des Glaubens?“ Und so geht es fröhlich weiter, quer durch die Unordnung, die sich unter den Katholiken breitgemacht hat.

„Nie da gewesen“ sind allerdings nicht so sehr diese Probleme; schließlich hatten Bergoglios Vorgänger, Wojtyla und Ratzinger, keine Gelegenheit ausgelassen, gegen das sündige Treiben zu wettern. Bisher nie da gewesen ist, dass die Kurie weniger die fast schon resignativ zur Kenntnis genommene Sünde in den Mittelpunkt stellt als den „pastoralen Umgang“ mit ihr. Statt die vom Pfad abgewichenen Gläubigen mit dem Sollen des Katechismus zu konfrontieren, schickt die Kirche sich an, das Sein ihrer „irregulären“ Schäfchen zur Kenntnis zu nehmen.

MICHAEL BRAUN