Superwoman will nicht mehr

GESCHLECHTER Teilzeitarbeit nach der Kinderpause ist einer der hauptsächlichen Gründe für die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen. Lobbyorganisation startet Kampagne

„Frauen denken nicht langfristig an sich“

CHRISTINA BOLL, HAMBURGER INSTITUT FÜR WELTWIRTSCHAFT

AUS BERLIN HEIDE OESTREICH

Nach der Kinderpause erst mal Teilzeit oder Minijob, ein sanfter Wiedereinstieg, das finden die meisten Mütter in Deutschland, insbesondere im Westen, vernünftig. Doch die Kosten dieses Modells unterschätzen sie oft. Die Lobbyorganisation Business and Professional Women (BPW) hat diese Zusammenhänge in den Mittelpunkt ihrer neuen Kampagne zum Equal Pay Day 2014 gestellt. Der ist am 21. März 2014. Dann nämlich endet die Zeitspanne, die Frauen über das Jahresende 2013 hinaus im Schnitt rein rechnerisch länger arbeiten müssten, um auf den gleichen Jahresverdienst zu kommen wie die Männer. Diese Differenz entsteht unter anderem dadurch, dass Mütter nach der Kinderpause längere Zeit nicht wieder voll berufstätig werden.

Die Zahlen sind desillusionierend: Der individuelle Bruttostundenverdienst von Männern zwischen 30 und 40 beschreibt im Laufe der Jahre eine ziemlich steile Kurve nach oben. Die Frauenlöhne dagegen stagnieren in dieser Zeit der Kinderphase und steigen danach nur noch gering.

Die Lohnlücke schließt sich nie mehr. Auch wenn man die vielen Unterschiede zwischen Frauen und Männern weglässt, etwa, dass Männer öfter in besser bezahlten Berufen arbeiten, ist es immer noch ein unschönes Bild: Christina Boll vom Hamburger Institut für Weltwirtschaft hat die Einkommensverläufe von Müttern und Frauen ohne Kinder verglichen. Die Mütter, die eine Weile ausstiegen, holten die Verdienste der kinderlosen Frauen nicht wieder ein. Mütter, die drei Jahre zuhause bleiben und dann drei Jahre Teilzeit arbeiten, verlieren Geld im Wert einer kleinen Eigentumswohnung: durchschnittlich 200.000 Euro.

„Das sehen viele Frauen nicht“, erläutert Boll beim Auftakttreffen für den Equal Pay Day in Berlin. „Sie denken kurzfristig an den Haushalt und nicht langfristig an sich.“ Mütter gingen oft davon aus, dass sie von ihrem Mann mitfinanziert werden. Sie beachteten dabei unter anderem auch den Machtaspekt nicht. Studien zeigen laut Boll, dass derjenige in einer Partnerschaft, der das höhere Einkommen einbringt, auch mehr Macht in den innerfamiliären Aushandlungsprozessen hat. Das stört zumindest westdeutsche Mütter offenbar wenig. Sie begriffen die Berufstätigkeit, anders als die ostdeutschen Mütter, eher als eine Option unter anderen.

Kinder, Haushalt, Karriere: Viele Westmütter haben es offenbar satt, Superwoman zu spielen. Nur die Konsequenz, die sie daraus ziehen, ist laut Boll denkbar ungünstig. So leisteten Frauen in Deutschland über eine Stunde mehr Arbeit im Haushalt als Männer. Ziel sei dann aber nicht, dem Mann öfter mal die Wäsche in die Hand zu drücken. Stattdessen seien die Frauen kürzer erwerbstätig, um mehr Zeit für den Haushalt zu haben. Sollte das etwas mit der innerfamiliären Verhandlungsmacht zu tun haben? Nicht nur, beschreibt Boll: Denn Frauen, die mehr verdienen als ihre Männer, federn den vermeintlichen Imageschaden des Mannes dadurch ab, dass sie noch mehr Arbeit im Haushalt erledigen. Keinesfalls, so Boll, solle er sich zum Hausmann degradiert sehen. „Doing Gender“ nennt Boll das: Die gängige Geschlechterrolle wird aktiv hergestellt.

Was tun? Unternehmen könnten vollzeitnahe Teilzeit auch in Führungsjobs anbieten, schlägt Boll vor. Der Staat könnte das Ehegattensplitting abschaffen, das Frauen von der Erwerbstätigkeit fernhält. Und die Frauen? „Sie müssen mehr Zivilcourage zeigen“, findet Christina Boll. Sie sollen einfordern, dass Männer auch beruflich zurückstecken. „Undoing Gender“ wäre das: Geschlechterklischees auflösen.