Pullacher mit immer schmutzigeren Händen

Der BND sieht sich neuen Vorwürfen ausgesetzt. In der Affäre um die Befragung eines Deutsch-Syrers in einem syrischen Folterknast soll er laut dem „Stern“ das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages instrumentalisiert haben

BERLIN taz ■ Die Liste der Anschuldigungen wird immer länger, dabei hat der Ausschuss des Bundestages zur Untersuchung der Affären des Bundesnachrichtendienstes (BND) seine Arbeit noch nicht einmal richtig aufgenommen. Jüngster Vorwurf: Die BND-Spitze soll im Falle des Deutsch-Syrers Mohammed Haydar Zammar nicht nur klammheimlich mit Syrien verhandelt haben. Schwerwiegender noch ist, dass die rot-grüne Bundesregierung dabei das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages (PKG) instrumentalisiert und hintergangen haben soll.

Zammar wird verdächtigt, Verbindungen zu den Hamburger Todespiloten des 11. September 2001 gehabt zu haben und Kontaktmann zum Terrornetzwerk al-Qaida zu sein. Seine Verhaftung in Marokko im Dezember 2001 und seine spätere Überstellung an Syrien mit Hilfe des US-Geheimdienstes CIA geschah offensichtlich mit Wissen der deutschen Behörden. Und nach Recherchen des Magazins Stern konnte die Verschleppung des Deutsch-Syrers erst erfolgen, weil dessen Reisedaten von deutschen Ämtern an amerikanische und marokkanische Dienststellen übermittelt wurden.

Der ehemalige Präsident des BND und heutige Innenstaatssekretär August Hanning hat bei einer Anhörung vor dem Innenausschuss des Bundestages im Dezember 2005 noch den Eindruck erweckt, die Regierung habe erst Monate später von Zammars Entführung erfahren. Dem Stern zufolge ist diese Darstellung falsch. Anhand von Dokumenten lasse sich belegen, dass die Spitze des Geheimdienstes über die Festnahme des Deutsch-Syrers und dessen Auslieferung an den Folterstaat Syrien umgehend informiert worden war. Ein hochrangiger deutscher Sicherheitsbeamter wird mit dem Satz zitiert: „Gehen Sie davon aus, dass die Verhaftung das Resultat einer gemeinsamen Operation amerikanischer und deutscher Behörden war.“

Trifft diese Darstellung zu, muss die Berliner Regierung bereits zum zweiten Mal ihre Angaben zum Fall Zammar korrigieren. Dieser steht bisher auf der Tagesordnung des Untersuchungsausschusses, weil Zammar in Damaskus im November 2002 auch von deutschen Beamten im berüchtigten Folterknast Far Falastin vernommen worden war. Im März wurde bekannt, dass in Washington die Abteilungsleiterin im US-Außenministerium, Elizabeth Jones, dem deutschen Botschafter Wolfgang Ischinger schon im Juni 2002 auf Nachfrage bestätigte, dass Zammar auf Betreiben der USA in Marokko verhaftet und verhört worden war. Danach sorgte die CIA dafür, dass Zammar nach Syrien überstellt wurde.

Als die Abgeordneten des parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages im Mai 2002 in einem Dienstjet von BND-Chef Hanning in die syrische Hauptstadt Damaskus flogen, ließ der Pullacher Dienst die PKG-Abgesandten absichtlich darüber im Unklaren, dass Zammar dort bereits im Gefängnis saß. Die Parlamentarier waren von Hanning und Geheimdienstkoordinator Ernst Uhrlau nach Syrien geschickt worden, um als „Türöffner“ für eine zukünftige Zusammenarbeit mit dem syrischen Geheimdienst zu fungieren. Dass es dabei in Wahrheit vor allem darum ging, Zammar im Folterkeller durch Deutsche verhören zu lassen, verschwiegen sie dem Stern zufolge der Delegation. WOLFGANG GAST