Alle lieben die Dummen
: KOMMENTAR VON REINER METZGER
Vorsicht, VerbraucherInnen – ihr sollt geschützt werden! Immer wenn in Deutschland von VerbraucherInnenschutz die Rede ist, droht eine Mogelpackung. Nun ist es wieder so weit. Das seit Jahren diskutierte „Verbraucherinformationsgesetz“ liegt vor. Und es verdient diesen Namen nicht. Die VerbraucherInnen werden hinterher so schlau sein wie vorher. Weiterhin ist es den aufgeklärten KonsumentInnen in diesem Land unmöglich, an konkrete Daten über die Einfuhr oder die Herstellung von giftbelasteten Lebensmitteln oder Textilien zu gelangen.
Hier blockieren CDU und CSU schon seit Jahren offen jeden Fortschritt. Aber auch der SPD war das kein Anliegen. Immerhin hätten die SozialdemokratInnen während sieben Jahren Rot-Grün genug Zeit für ein entsprechendes Gesetz gehabt. Besonders schamlos polemisiert nun aber Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU): Weiter als mit dem vorgelegten Regelwerk hätte man nicht gehen können, denn das hätte die Bürokratie vermehrt. Was für ein Unsinn! Die Behörden sammeln doch längst vielfältige Daten. Sie dürfen viele davon aber trotz des neuen Gesetzes nicht veröffentlichen – so etwa auch, wer giftiges Gemüse verkauft.
Die Industrie wiederum fürchtet, mit einer weiter gehenden Informationspflicht an den Pranger gestellt zu werden. Ja, was denn sonst? Genau so funktioniert doch VerbraucherInnenaufklärung: Wer ständig miese Produkte verkauft, bei dem kauft man nicht mehr ein. Allein schon die Drohung mit Öffentlichkeit reicht erfahrungsgemäß aus, um die Firmen zu einer wirkungsvollen Selbstüberwachung zu bringen. Ganz ohne Bürokratie.
Beide Seiten würden profitieren. Bisher neigen VerbraucherInnen, aber auch die Medien zu Überreaktionen. Warum? Weil sie wissen, dass sie in vielen Fällen nicht die ganze Wahrheit erfahren. Würde immer klar und schnell informiert, wäre die Industrie vor solchen Panikattacken geschützt. Diese Weisheit jedoch – in anderen Ländern längst Allgemeingut – hat sich in der deutschen Industrie und den ihr angeschlossenen Politikbereichen noch nicht herumgesprochen. Hier gilt weiterhin: Je dümmer der Verbraucher, desto besser.
