LESERINNENBRIEFE
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Wie die Piraten

■ betr.: „Kehrt um, zurück nach Afrika“ u.a., taz vom 4. 11. 13

Wenn Frontex Flüchtlingsschiffe innerhalb der Hoheitsgewässer zurückdrängt, ist das ungesetzlich, wie der EuGH festgestellt hat. Aber außerhalb steht das doch im Widerspruch zu Artikel 87 der UN-Seerechtskonvention, und der jeweilige Frontex-Kapitän müsste einen Prozess vor dem internationalen Seegerichtshof verlieren, wenn er ein fremdes Schiff verschleppt oder zu einem anderen als dem gewünschten Kurs zwingt.

Mit anderen Worten, wir Europäer verhalten uns weiterhin wie Piraten, nachdem es schon die Fischtrawler beim Wegfischen der Lebensgrundlage Tausender Menschen vorgemacht haben.

RAINER GLASCHICK, Paderborn

Wir leben in Europa

■ betr.: „Rambo und der Cyberkrieg“, taz vom 5. 11. 13

Freunde? Freundschaft gibt es nur unter Gleichen, nicht zwischen Besatzern und Besetzten und Ausgespähten. Die Großmannssucht auf der amerikanischen Seite wird tatsächlich nur ermöglicht durch uns. Und sogar Merkels SPD kuscht. Wovor eigentlich? Wem denn gegenüber? Staatstreue? Zuverlässigkeit? Wählerwille? Machtgier nach Pöstchen? Geht es noch um Deutschland, um Europa? Hier wird schön weiter der große Bruder angehimmelt und weggeschaut, wenn’s drauf ankommt, Freiheit und Unveräußerlichkeit der Grundrechte zu vertreten, auch von Menschen, die das Verbrechen aufdecken, hier wie anderswo, und uns brüsten mit unseren Rechten, so lange sie nicht eingefordert werden … Schutz für den Whistleblower Snowden? Bei uns?

Wann wird diese Bundesrepublik erwachsen und tritt aus dem Zustand einer Bananenrepublik heraus? Schutz für jemanden zu schaffen, der öffentlichkeitswirksam Verbrechen aufgedeckt hat, die dem einzelnen seit Jahrzehnten durchaus bekannt waren, würde nun in den Vereinigten Staaten wie weltweit ein neues Bewusstsein schaffen. Dieses Ausmaß der Bespitzelung und der Industriespionage durch die US-Agenturen zu beenden, wäre ein politisch lohnender Schritt, einer tatsächlich schwachen US-Regierung Grenzen aufzuzeigen. Statt dessen verhandeln wir mit diesen „Freunden“ und wollen ein Abkommen abschließen, das – nur – ihre Industriespionage uns gegenüber – vielleicht begrenzt? Wir leben in Europa! Wir brauchen kein Freihandelsabkommen mit den USA, das uns Europäern – den Bürgern – kaum Freiheiten bringen kann! Tarik Ahmias Kommentar zeigt unsere Möglichkeiten auf, sie liegen in der Rechtsstaatlichkeit und im moralischen Handeln.

ERNST-FRIEDRICH HARMSEN, Berlin

Vermutlich ein Nullsummenspiel

■ betr.: „Pkw-Maut macht Ärger“, taz vom 4. 11. 13

Ein paar Gedanken zur Autobahnmaut: 800 Millionen Euro soll das angeblich einbringen. Doch die Summe ist mit ausländischen Pkw wohl kaum zusammenzubringen. Rechnen wir einfach mal nach: in den Anrainerstaaten Deutschlands sind insgesamt rund 80 Millionen Autos zugelassen (davon 31 Millionen in Frankreich). Einnahmen von 800 Millionen setzen voraus, dass 10 Prozent der Anrainer-Pkw jeweils eine Jahresvignette für 100 Euro erwerben. Kann sich irgendjemand ernsthaft vorstellen, dass 10 Prozent der Franzosen ganzjährig auf deutschen Autobahnen herumfahren möchten? Allenfalls bei Holländern und Skandinaviern könnte man eventuell davon ausgehen, dass sie relativ viele Vignetten kaufen werden. Doch selbst wenn 10 Prozent der holländischen und skandinavischen Bevölkerung mit deutschen Jahresvignetten herumfahren würden, kämen gerade mal 150 Millionen zusammen. Woher soll dann der große Rest kommen?

Die Prognosen, die den 800 Millionen zugrunde legen, sind offenkundig viel zu hoch. Wobei ja noch zu berücksichtigen ist, dass die Einführung der Autobahnmaut Kosten verursacht: Unmengen von neuen Verkehrsschildern, Druckkosten für viele Millionen Vignetten (die v.a. kostenneutral auf deutschen Windschutzscheiben kleben sollen) usw. Bei einer realistischen Nutzen-Kosten-Berechnung käme vermutlich heraus, dass die Maut für Ausländer ein Nullsummenspiel ist. Ich glaube, hier werden wir gerade massiv hinters Licht geführt! BERND KLIEBHAN, Münzenberg

Von unten nach oben

■ betr.: „Pkw-Maut macht Ärger“, taz vom 4. 11. 13

In den Koalitionsverhandlungen geht es auch um die Autobahn-Maut in diskutierter Höhe von etwa 100 Euro pro Pkw. Sie soll neutral für deutsche Autofahrer sein, weil sie angeblich über die Kfz-Steuer ausgeglichen werden soll. Fakt aber ist: umweltfreundliche Kleinwagen (unterhalb der Golf-Klasse) liegen in der Regel bei einer Kfz-Steuer weit unterhalb von 100 Euro (z. B. Citroen C1: CO2 unter 104 g => 14 Euro/Jahr). Eine negative Kfz-Steuer (im Beispiel 86 Euro Erstattung) ist nicht vorgesehen. Somit ist klar, dass es sich bei der Maut wieder einmal um eine massive Umverteilung von unten ( = arme/ökologiebewusste Kleinwagenfahrer) nach oben (= Besitzer umweltschädlicher Bonzenschlitten oberhalb der Golf-Klasse) handelt.

Typische CSU-Klientel-Politik, auf die die SPD-Funktionäre (offensichtlich keine Kleinwagenfahrer) mangels eigener Betroffenheit hereinfallen. Und Lobbyisten wie ADAC etc. thematisieren das Problem ebenso wenig, weil Kleinwagenfahrer (egal ob aus ökonomischen oder ökologischen Gründen) von ihnen als eine nicht Ernst zu nehmende Randgruppe belächelt werden. Traurig ist, dass weder Grüne noch VCD hier intervenieren. NORBERT MUTH, Reutlingen