Willis heile Hochschulwelt

Wissenschaftssenator Willi Lemke fürchtet „tiefe Depression“ bei schlechten Nachrichten. Weswegen er Antworten seiner Mitarbeiter auf Fragen von Abgeordneten im Zweifelsfall schönschreiben lässt

von Armin Simon

„Wenn ich Ihrer Rede folge, dann gerate ich in tiefe Depression.“ Wissenschaftssenator Willi Lemke (SPD) war gestern alles andere als angetan von den Vorhaltungen der Opposition. Über die Auswirkungen des Sparprogramms bei den Hochschulen debattierte die Bürgerschaft – und die Antwort des Senats auf eine Anfrage der Grünen dazu hatte deren Wissenschaftspolitikerin Silvia Schön als „offizielle Milchmädchenantwort“ gegeißelt: „Dort steht nichts drin, was mit der Realität zu tun hat.“

Schöns Vorwurf kam nicht von ungefähr. Sie hielt Lemke die „inoffizielle“ Version seiner Antwort vor. Die also, die Lemkes Mitarbeiter zuerst verfasst hatten. Und die sie, nach Vorlage im Rathaus, prompt zurückbekamen: Die Staatsräte waren nicht einverstanden. Die Fachabteilung musste sie umschreiben.

Beispiel Studienplätze: Mit welchen Verlusten durch die Kürzungen bei den Hochschulen denn zu rechnen sei, wollten die Grünen wissen. Das Ressort nahm, in Antwort 1, kein Blatt vor den Mund: Von einer „Verminderung der Aufnahmekapazität um 784 Studienanfänger und 3.223 Studienplätze gegenüber der bisherigen Planung“ ist da die Rede, bis 2010. Und davon, dass schon 2007 „155 Stellen für wissenschaftliches Personal weniger finanziert werden können“. In Antwort 2, der „offiziellen“, ist von all dem nichts mehr zu lesen. Die Mittelausstattung 2006/2007, heißt es dort lapidar, „führt nicht zu einem Abbau von Studienkapazitäten“. Und für die Folgejahre „gibt es noch keine Festlegungen“.

Beispiel Drittmittel-Akquise: Wie sich die geplante Kürzung im Hochschuletat auswirke, lautete die Frage. Negativ, so Antwort 1: „Jede Verringerung von Landesmitteln vermindert auch die Drittmittelchancen.“ Das aber durften die ParlamentarierInnen nicht erfahren. Sie bekamen Antwort 2: „Der momentane Sachstand ermöglicht keine hinreichend belastbare Aussage zu den Folgen für die Drittmittelakquisition der Hochschulen.“

„Negative Auswirkungen“ der geplanten Kürzungen wollte das Ressort auch beim Thema Regionalentwicklung nicht ausschließen. „Das Potenzial für Forschung, Entwicklung und Transfer in die Wirtschaft wird sinken, die Zahl der Arbeitsplätze (…) abnehmen, es werden weniger Einwohner gewonnen“, prophezeiten die Experten. Der Senat aber bevorzugte „good news“, weswegen er in Antwort 2 „nicht davon ausgeht“, dass das Sparprogramm „zu Veränderungen bei der Entwicklung der Wirtschaftsstandorte Bremen und Bremerhaven führen wird.“

„Sie sollten wenigstens den Mumm haben, zu den Auswirkungen ihrer Sparpolitik zu stehen“, hielt Schön Lemke vor. Der konterte: Die Grünen würden den Wissenschaftsstandort schlecht reden.

Dass die Hochschulen nicht planen könnten, weil die Rahmendaten nicht klar seien (taz berichtete), bestritt Lemke. Die Rektoren, behauptete er, würden den Sparprozess vielmehr „solidarisch unterstützen“.

Auf die „inoffizielle“ Version der Senatsantwort ging Lemke mit keinem Wort ein. Kein Wunder. Stellten seine MitarbeiterInnen darin doch eindeutig fest: „Kurzfristig ist eine sinnvolle Planung, die sich noch in den Jahren 2006 und 2007 in den Haushalten als Einsparung niederschlägt, kaum möglich.“

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