Schills Erben im Zentrum

Hamburg erlebt einen Gründungsboom rechter Parteien, die gar nicht rechts sein wollen. Nach Ex-Justizsenator Roger Kusch geht jetzt auch der ehemalige Schill-Innensenator Dirk Nockemann auf Stimmenfang

Von MARCO CARINI

Nur nicht drängeln. Innerhalb von nur zehn Tagen durfte das Renaissance-Hotel nahe der Binnenalster gleich zweimal als Kulisse für die Geburt einer neuen Rechtspartei herhalten. Nachdem der unlängst aus dem Senat gefeuerte Ex-Justizsenator Roger Kusch (ehemals CDU) am 1. Mai seine Partei „HeimatHamburg“ präsentierte, hob gestern Hamburgs Ex-Innensenator Dirk Nockemann (früher Schill-Partei) den neuen Hamburger Landesverband der „Deutschen Zentrumspartei“ aus der Taufe.

Die beiden gescheiterten Senatoren wollen als unerbittliche Konkurrenten bei der 2008 anstehenden Bürgerschaftswahl jeweils „fünf bis zehn Prozent“ der Stimmen holen und damit ins Hamburger Landesparlament einziehen. Sie zielen dabei nach eigenem Bekunden vor allem auf die Gruppe der Nichtwähler.

Anders als Kusch kann Nockemann, der gemeinsam mit dem ehemaligen Fraktionschef der Schill-Partei, Norbert Frühauf, Vorstandssprecher der neuen Gruppierung ist, immerhin ein Programm aufbieten. Das liest sich wie ein politischer Gemischtwarenladen möglichst populärer Forderungen.

Eher links ist die Forderung, die direkte Demokratie in der Hansestadt zu stärken und die Ergebnisse von Volksentscheiden, die die Hamburger CDU bislang regelmäßig aushebelt, in Zukunft rechtsverbindlich werden zu lassen. Einen Rechtsdrall hat hingegen die Ausländerpolitik, die deutlich die Handschrift Nockemanns trägt: Hamburg soll alle ausreisepflichtigen Ausländer sofort abschieben, Migranten, die nicht bereit sind, sich so zu integrieren wie der Staat es sich vorstellt, mit Sanktionen überziehen und eine Einbürgerung frühestens nach 15 Jahren zulassen.

Daneben will sich das Zentrum vor allem gegen Studiengebühren im Grundstudium, gegen die steigenden finanziellen Belastungen von Familien, die Privatisierung der Berufsschulen und gegen jegliche Nordstaatspläne engagieren.

„Nicht rechts, nicht links“, aber „konservativ und fortschrittlich“ zugleich will das Zentrum sein. Es grenzt sich damit souverän von den „Sprechblasen der anderen Parteien“ ab, die Nockemann beklagt. Als Landesverband der historisch bedeutsamen (siehe Kasten), aktuell aber unwichtigen Zentrumspartei zielen Nockemann und Frühauf bereits heute auf die bundespolitische Option. Ihre Vision: An die 1.000 Mitglieder will das Hamburger Zentrum in wenigen Monaten gewinnen, um so die bundesweit nur 600 Mitglieder zählende Bundespartei in die Tasche zu stecken. „Wir wollen das Zentrum des Zentrums werden“, sagt Frühauf, und „langfristig die FDP ersetzen“.

200 Beitrittsanfragen lagen der neuen Gruppierung angeblich bis gestern vor – doch bislang kann nur ein elfköpfiger Vorstand präsentiert werden, in dem vier ehemalige Mitglieder der Schill-Partei „Rechtsstaatliche Offensive“ sitzen. „Schill war als Person unerträglich“, übt sich Norbert Frühauf in Vergangenheitsbewältigung, „aber die Partei hat viel bewegt.“

Nun wollen die Erben Schills einmal ohne ihren exzentrischen Parteigründer im Zentrum stehen.