Schweigen lernen

Morgen kommentiert Günther Koch das letzte Bundesligaspiel im Radio. Für Fans endet damit eine Ära – „die Stimme Frankens“ widerspricht nicht

VON Manfred Otzelberger

Wie er schon geht, besser: stolziert: Den Rücken durchgedrückt, dazu ein leicht herablassender Blick, der auch ein wenig beleidigt wirkt, weil immer noch nicht alle seine Größe erkannt haben.

Nein, an Selbstvertrauen mangelt es Günther Koch nicht. Der 64-jährige Nürnberger, als „Stimme Frankens“ in dreißig Dienstjahren bundesweit bekannt geworden, hält sich für den feurigsten Radiosportreporter Deutschlands – was ihm von allen Seiten bestätigt wird. Kein anderer Sprecher kann CDs mit seinen Reportagen als Kunst verkaufen, nur „Gänsehaut-Goethe“ darf Beethovens Fünfte oder Schillers „Die Räuber“ wie eine Sportveranstaltung live im Staatstheater kommentieren. „Ich kenne keinen, der kompetenter ist, der ehrlicher ist, der mitreißender ist“, schwärmt Franz Beckenbauer. Für Die Welt ist Günther Koch der „Reporter-Papst“, für den Stern gar „die Stimme des Balls“. Und eben diese Stimme wird bei der WM zum Schweigen verdammt.

Ein Mehmet-Scholl-Schicksal: Das Volk liebt und fordert Günther Koch, aber sein Arbeitgeber, der Bayerische Rundfunk, hat ihn nicht für die WM nominiert. Koch hat danach empört gekündigt, am Samstag ist sein letzter Auftritt in der legendären Radiosendung „Heute im Stadion“: „Aus Gründen der Selbstachtung musste ich so entscheiden, weil meine jahrzehntelange Arbeit so missachtet wurde. Es hieß immer, ich wäre für die WM, die meine erste und letzte gewesen wäre, gesetzt. Es wurde mir auch keine Begründung dafür gegeben, dass mir ein anderer freier Mitarbeiter vorgezogen wurde. Ich wollte ja nicht das Endspiel kommentieren, ein paar Spiele in Nürnberg hätten mir völlig gereicht. Aber die WM ist für mich nicht lebenswichtig, der liebe Gott wird schon wissen, warum ich nicht dabei bin.“

Von Beruf ist Koch eigentlich Lehrer, manchmal unterrichtet er noch aushilfsweise Religion. Pädagogisch sind auch seine Radioreportagen bisweilen – sein politisches Engagement erst recht: „Hundertmal mehr als der WM-Ausschluss hat mich geärgert, dass ich 2003 mein Landtagsmandat für die SPD nicht antreten konnte, weil der Bayerische Rundfunk und die CSU die Doppelfunktion nicht zulassen wollten. Da musste ich mich bei meinen Wählern entschuldigen, weil ich naiv war und als Umfaller hingestellt wurde. Ich bin heute noch der Meinung, dass beides zu vereinbaren gewesen wäre. Ich hätte mit meiner 39-jährigen pädagogischen Erfahrung einiges gegen die Parteienverdrossenheit tun können.“

In der neuen Saison wechselt Koch zu Arena, dem neuen Inhaber der Bundesliga-Live-Rechte. Fernsehen wird dem Drechsler poetischer Bilder schwer fallen: „Ich muss lernen, zu schweigen und den Bildern ihre Würde zu lassen, aber ihre Farbe kann ich natürlich weiterhin schildern. Weniger, aber gezielter sprechen – darum geht es.“

Bei Arena muss er wohl das Unwort „Easy-Credit-Stadion“ aussprechen, das der Fußballromantiker bisher eisern gemieden hat: „Beim BR habe ich nur vom Stadion der Franken gesprochen. Ich mag den Kommerz nicht, gehe bewusst nicht in die VIP-Zone, weil ich da nicht hingehöre. Aber wenn der Ball seine Kapriolen macht, ist die Macht des Geldes vergessen. Der Ball ist das Zentrum, nicht der Champagner der Goldkettchenträger. Der Ball bringt einen zum Laufen, selbst wenn man nicht mehr laufen kann.“

Koch selbst kickt noch einmal die Woche mit Kollegen, hat engen Kontakt zu Fans, denen er immer wieder erklären muss, wie er gleichzeitig den FC Bayern und den 1. FC Nürnberg mögen kann: „Ich bin nun einmal ein ‚Nürnchenberger‘, mir geht es um die Schönheit des Spiels und den grundsätzlichen Respekt vor Erfolgen. Ich habe die Schadenfreude der Clubberer bei Bayern-Niederlagen immer für dumm gehalten. In beiden Städten habe ich ja gelebt. Schon vor der Beckenbauer-Ära war ich Bayern-Fan – weil ich eine Neigung für Benachteiligte habe. Damals waren die Bayern noch die Underdogs.“