Ex-SPD-Abgeordneter Tauss vor Gericht

PROZESS Jörg Tauss soll mehr als 300 kinderpornografische Bilder und Videos besessen haben

KARLSRUHE taz | Im Nachhinein wirkt der Zwischenruf vom 5. März 2009 nur noch bizarr. Die CSU-Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär sprach im Parlament gerade davon, was man angeblich an Kinderpornografie im Netz finden könne. Da meldete sich der SPD-Politiker Jörg Tauss zu Wort: „Das schaut man sich aber nicht an!“ Wenige Stunden später durchsuchten Fahnder Tauss’ Berliner Wohnung und fanden – Kinderpornos.

Von diesem Dienstag an muss sich der 56-Jährige vor dem Karlsruher Landgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, mehr als 300 kinderpornografische Bilder und Videos besessen zu haben.

Tauss bestreitet das nicht. Er habe sich das Material allerdings in seiner Eigenschaft als SPD-Experte für Neue Medien beschafft, um so die Vertriebswege der Kinderpornoszene zu erforschen. „Ich habe diese Bilder nicht sexuell gebraucht“, sagte Tauss der taz im September, als neue Vorwürfe gegen ihn bekannt wurden. Er habe sich die meisten Bilder noch nicht einmal angesehen.

Tauss und seine Anwälte haben in den vergangenen 14 Monaten immer wieder eine angebliche Vorverurteilung durch die Medien und die Staatsanwaltschaft kritisiert.

In Folge der Kinderporno-Funde war Tauss von allen seinen Ämtern in der SPD zurückgetreten, darunter das des baden-württembergischen Generalsekretärs. Im Juni 2009 verließ er die SPD und trat der Piratenpartei bei. Seit seinem Ausscheiden aus dem Bundestag im Herbst kommentiert Tauss per Blog und Twitter hämisch die Internetpolitik der etablierten Parteien. Nun schreibt Tauss dort: „Bin ganz froh, wenn es bei Gericht jetzt endlich losgeht.“ Ein Urteil wird für den 28. Mai erwartet.

WOLF SCHMIDT