Immer mehr Tote in Somalias Hauptstadt

Die Zahl der Todesopfer bei Kämpfen zwischen Islamisten und US-unterstützten Warlords in Mogadischu steigt auf über 120. UN-Sanktionskomitee kritisiert zunehmenden Waffenschmuggel nach Somalia, aber UN-Sicherheitsrat bleibt untätig

von DOMINIC JOHNSON

Somalias Hauptstadt Mogadischu ist wieder Kriegszone. Mindestens 120 Menschen sind seit dem Ausbruch schwerer Kämpfe zwischen rivalisierenden Clans am Sonntag getötet worden. „Die Kämpfe haben die ganze Nacht angedauert, mit über zwanzig Todesopfern, darunter Frauen und Kinder“, berichtete gestern Ali Mohalim Mohamed, Vizedirektor des Krankenhauses von Medina im Süden der Stadt, gegenüber einer Nachrichtenagentur. „Wir haben 78 Schwerverletzte, aber zu wenig Personal.“ Bereits am Vorabend war von knapp 100 Toten in den Stadtvierteln Sii-Sii, Waharaade und Yaqshid im Norden Mogadischus die Rede gewesen. „Sii-Sii ist zu einem Schlachtfeld geworden“, erklärte der Milizenführer Sayid Mohamed. „Tausende Einwohner sind auf der Flucht.“

Mogadischu ist zwischen rivalisierenden Milizen geteilt, seit Somalias letzte Zentralregierung 1992 von Rebellen vertrieben wurde und diese sich danach zerstritten. Heute identifizieren sich die Kontrahenten nicht mehr tribalistisch, sondern ideologisch: Islamisten gegen US-Verbündete. Islamistische Milizen, die in den 90er-Jahren als Alternative zu den ewig streitenden Warlords entstanden, errangen in den letzten Jahren die Kontrolle über weite Teile Mogadischus. Für die USA, die am Horn von Afrika die dritte Front ihres globalen Krieges gegen den Terror neben Irak und Afghanistan führen, sind sie eine mögliche Speerspitze al-Qaidas und gefährden damit die gesamte Region. Denn in Somalia gibt es keinen Staat mehr, der den islamistischen Milizen entgegentreten könnte. Als Gegenkraft unterstützt Washington eine „Allianz für die Wiederherstellung des Friedens und gegen den Terror“ aus einigen von den Islamisten marginalisierten Warlords.

Dritter im Bunde ist die international anerkannte Übergangsregierung Somalias, die 2004 aus einer Friedenskonferenz in Kenia hervorging. Eigentlich mit den USA verbündet, wirft sie diesen nun vor, die Milizen in Mogadischu zu bewaffnen. Zu deren Führern gehören auch im Streit aus der Übergangsregierung ausgetretene Exminister.

Eigentlich steht Somalia seit 1992 unter Waffenembargo, und das zuständige UN-Sanktionskomitee unterbreitete dem UN-Sicherheitsrat am Mittwoch eine düstere Lageeinschätzung: Die Islamisten kontrollierten mittlerweile 80 Prozent von Mogadischu; und ein nicht genanntes Land leiste seit Januar 2006 „finanzielle Unterstützung, um Milizenkräfte zu organisieren und zu strukturieren, die der Bedrohung durch die wachsende militante fundamentalistische Bewegung im Zentrum und Süden Somalias begegnen sollen“, so die UN-Experten. Eine „immer größer werdende Gruppe von Staaten, jeder mit seiner eigenen Agenda“, beteilige sich an den Schmuggelgeschäften.

Vorschläge des UN-Komitees, das Waffenembargo endlich effektiv zu überwachen und auch Sanktionen gegen somalische Exporte von Fisch und Holzkohle zu verhängen, mit denen Warlords ihre Waffenkäufe finanzierten, ignorierte der Sicherheitsrat jedoch. So kann der neue Krieg in Mogadischu ungehindert weitergehen. Beide Seiten setzen schwere Waffen ein. „Viele Leute sitzen in ihren Häusern in der Falle“, so Krankenhausarzt Mohamed. Gegenüber BBC sagte ein Stadtbewohner: „An jeder Straßenecke haben Milizen Position bezogen. Sie bereiten sich auf weitere Kämpfe vor.“