22 Millionen Dollar gegen die Kennzeichnungspflicht

USA Die Wähler in Washington haben sich gegen Gen-Etiketten auf Lebensmitteln ausgesprochen

Fast alle Frühstückscerealien, Süßgetränke, Kartoffelchips und die Fertiggerichte – die das Hauptnahrungsmittel von sozial Schwachen sind – enthalten genmanipulierte Zutaten

WASHINGTON taz | Es war das teuerste Referendum in der Geschichte des US-Bundesstaats Washington. Mindestens 22 Millionen Dollar haben die großen Agrokonzerne – allen voran Monsanto, DuPont, Coca-Cola, Nestlé und Pepsi-Cola – ausgegeben, um ihre genmanipulierten Lebensmittel zu verteidigen und deren Kennzeichnungspflicht abzulehnen. Wie es aussieht, haben sie gewonnen. Die ersten Ergebnisse zeigen eine deutliche Ablehnung der Kennzeichnungspflicht. Allerdings waren bei Redaktionsschluss noch nicht alle Stimmen ausgezählt.

Das Referendum „I 522“ sah vor, dass Lebensmittel, die teilweise oder komplett mit genmanipulierten Zutaten sowohl pflanzlicher als auch tierischer Herkunft hergestellt werden, mit einem deutlichen Etikett gekennzeichnet werden müssen. Die Pflicht sollte am 1. Juli 2015 in Kraft treten. Washington wäre der erste US-Bundesstaat mit einer solchen Regelung gewesen. In über zwei Dutzend anderen Bundesstaaten sind vergleichbare Initiativen in Planung.

Die BefürworterInnen von „I-522“ – eine breite Allianz von Bio-Gruppen, Bio-Konzernen und linken Organisationen – haben mit dem Recht auf Gesundheit und Information der VerbraucherInnen argumentiert. Man schreibe ja auch auf das Etikett, ob „ein Obstsaft aus Konzentrat oder nicht hergestellt wird“, sagte David Bronner, ein Bio-Unternehmer und einer der HauptsponsorInnen der Kampagne für ein Ja zu „I-522“. „Wir sind in Amerika. Wir haben ein Recht, zu wissen.“ Insgesamt steckten die BefürworterInnen der Kennzeichnungspflicht mehr als 7 Millionen Dollar in die Kampagne.

Noch im Spätsommer war nach Meinungsumfragen eine eindeutige Mehrheit der WählerInnen in Washington für die Kennzeichnungspflicht. Dann begann jedoch das Kartell des Agrobusiness seine Werbekampagne. Es füllte den Äther und die Zeitungen mit Anzeigen, die erklärten, dass eine Kennzeichnungspflicht Lebensmittel teurer und Landwirte ärmer machen würde. Es bestand darauf, dass genmanipulierte Nahrungsmittel „sicher“ seien. Die Fast-Food-Kette Chipotle drohte mit Preiserhöhungen von bis zu 5 Prozent.

Betroffen sind in erster Linie Mais und Sojabohnen. Fast alle Frühstückscerealien, Süßgetränke, Kartoffelchips, Backwaren, Konserven und die Fertiggerichte – die wegen ihrer Niedrigpreise das Hauptnahrungsmittel von sozial Schwachen sind – enthalten genmanipulierte Zutaten. Im Gegensatz zur EU werden sie in den USA bislang nirgends gekennzeichnet.

Am Dienstagabend jubelte Dana Bieber, Sprecherin des 22-Millionen-Dollar-Kartells: „Wir haben ein Gesetz zu Fall gebracht, das inakkurat, unvollständig und widersprüchlich ist.“ Sie fügte hinzu: „Information ist nur nützlich, wenn sie akkurat ist.“ Die Kampagne in Washington war eine Wiederholung einer Aktion, die bereits im vergangenen Jahr im weiter südlich gelegenen Kalifornien erfolgreich war. In dem sehr viel größeren Kalifornien kostete das Nein allerdings 46 Millionen Dollar.

DOROTHEA HAHN