Die DDR, klug historisiert
: KOMMENTAR VON STEFAN REINECKE

Die DDR ist, 16 Jahre nach ihrem Verschwinden, noch immer ein Kampfplatz. Rechtskonservative malen die DDR unverdrossen als naziartigen Staat. Gleichzeitig sind Ampelmännchen oder Mokka Fix Gold Zeichen von Popinszenierungen, in denen die DDR als lustige, harmlose Warenwelt zitiert wird. Offenbar aber wird die DDR als Heimat empfunden – paradoxerweise erst, seit sie von der politischen Landkarte verschwunden ist. Das verbittert wiederum manche Stasiopfer.

All diese Erinnerungstexte stehen meist unverbunden nebeneinander. Das kollektive Gedächtnis ist in Bezug auf die DDR erstaunlich widersprüchlich, buntscheckig und unübersichtlich. Das hat Vorzüge: Es ist fast anarchisch und denkbar weit entfernt von verordneten staatlichen Reglements. Aber es hat auch Schattenseiten. So schauen täglich hunderte Touristen am Berliner Checkpoint Charlie auf ein sandsackbewehrtes Wachhäuschen, das dort bis 1989 nie stand. Hauptsache, die Touristen haben etwas zum Fotografieren. In solcher Ignoranz spiegelt sich auch das beharrliche Desinteresse der Westdeutschen am Osten. All die pädagogischen Bestrebungen der 90er-Jahre unter dem Slogan „Wir müssen uns unsere Biografien erzählen“ haben nichts daran geändert, dass dem gemeinen Westbürger die DDR-Geschichte herzlich egal ist.

Eine Expertenkommission aus Ostbürgerrechtlern und Westzeithistorikern schlägt nun einen Geschichtsverbund zur „Aufarbeitung der SED-Diktatur“ vor, mit durchweg vernünftigen Anregungen zur Zukunft von Birthler-Behörde und Stasigedenkstätten. Die Vorschläge sind fern von staatlicher Bevormundung und eher eine sanfte Kursbestimmung. Die Botschaft lautet: weniger Stasi, mehr Blick für den Alltag in einer Diktatur. Das ist, auch wenn es einstigen Bürgerrechtlern wie Freya Klier nicht passt, die richtige Richtung: eine kluge Historisierung, die der Vielfalt der DDR gerecht wird.

Und: An der Bernauer Straße soll ein neues Zentrum der DDR-Darstellung entstehen, das authentische Mauerreste mit Aufklärung über das Leben in der DDR verknüpft. Dann braucht man Touristen auch kein falsches Wachhäuschen mehr als echt zu verkaufen.

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