Stadtwerk lässt Wowereit heiß laufen

PARLAMENT I Vier Tage nach dem gescheiterten Energie-Volksentscheid debattieren die Abgeordneten über das Öko-Stadtwerk. Der Regierende Bürgermeister redet sich in Rage – und leistet sich eine zweideutige Aussage

■ Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) sieht in einem Coffee-Shop „keine Maßnahme, die den Drogenmissbrauch und illegalen Drogenhandel im Görlitzer Park eingrenzen könnte“. Der Shop hätte negative Signalwirkung und würde zu einem Park-Tourismus führen, mit erheblich höheren Belastungen der Anwohner als bisher, antwortete Czaja auf eine Frage des Kreuzberger CDU-Abgeordneten Kurt Wansner. Czaja verwies auf die Gefahren von Cannabis und zitierte eine neue Studie, wonach sich bei wöchentlichem Konsum die Gefahr, an Depression zu erkranken, um 62 Prozent erhöht.

■ Käme Ex-NSA-Mitarbeiter Edward Snowden nach Berlin und stellte eine Asylantrag, „würden wir ihn so behandeln wie jeden anderen Asylbewerber auch“, sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Damit stelle sich die vom Grünen Dirk Behrendt aufgeworfene Frage gar nicht, ob das Bundesland bereit sei, Snowden aufzunehmen.

■ Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) befürchtet nicht, dass Rechtsextreme den Jüdischen Friedhof in Mitte zu einer Pilgerstätte machen werden, weil dort offenbar der Gestapo-Chef Heinrich Müller begraben ist. Nach seinen Angaben seien in Sammelgräbern Tausende bestattet worden, Einzelne zu identifizieren sei nicht möglich. (sta)

VON STEFAN ALBERTI

Manchmal ist es nicht leicht, Daniel Buchholz zu sein. Einer, der seit Jahren im Parlament für eine bessere Ökopolitik streitet – und in seiner Partei, der SPD. „Wir brauchen ein Stadtwerk, das schnell wächst“, forderte der 45-jährige Abgeordnete am Donnerstag im Landesparlament – nur um Minuten später von seinem Parteifreund und Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit zu hören: „Mir wäre lieber, wenn das Stadtwerk langsam wächst, aber solide.“

Vier Tage nach dem gescheiterten Energie-Volksentscheid stritt das Parlament über die Deutungshoheit über das Ergebnis – auch unter den Abgeordneten der Opposition. „Unerträglich“ fand es der Piraten-Abgeordnete Christopher Lauer nicht nur bei den Regierungsfraktionen, sondern auch bei Grünen und Linkspartei, dass diese sich anmaßen würden, genau über die Beweggründe jener 1,8 Millionen Berliner Bescheid zu wissen, die am Sonntag nicht mitstimmten.

Dem Regierenden Bürgermeister jedenfalls war der Energieexperte seiner Fraktion merklich zu weit vorgeprescht. Als „viel zu kleinen Wert“ hatte Buchholz etwa jene 1,5 Millionen Euro kritisiert, die der Senat im Haushaltsentwurf für 2014/15 für jenes landeseigene Öko-Stadtwerk vorsah, das die Koalition vor zwei Wochen auf den letzten Drücker vor dem Volksentscheid beschloss. Das Stadtwerk müsse „ein vernünftiges Kapital“ bekommen, forderte der SPD-Abgeordnete in einer der lebhaftesten Parlamentsdebatten der vergangenen Jahre.

Um da keine Zweifel aufkommen zu lassen, machte Wowereit klar, dass er keine Massen von Steuergeldern in das Projekt stecken will. Allenfalls „am Anfang eine Anschubfinanzierung“ könne es geben, „aber nicht auf Dauer“. Aus den Worten Wowereits, der in früheren Jahren Energie zur Chefsache erklärt hatte, drang alles andere als Begeisterung für das Öko-Stadtwerk. Die Energiewende sei ein bundesweites Thema, formulierte der Regierende Bürgermeister, Berlin könne da „mit einen Beitrag leisten“.

Nachdem Oppositionsvertreter den Ausgang des Volksentscheids als Niederlage für den Senat interpretierten und der Grüne Michael Schäfer ihm „Tricksereien“ beim Termin des Volksentscheids vorwarf, redete sich Wowereit derart in Rage, dass ihm möglicherweise ein Lapsus unterlief: Ungewollt schien er zu bestätigen, dass der Senat nicht aus Formgründen, sondern aus klarem taktischen Kalkül die Abstimmung nicht mit der Bundestagswahl am 22. September zusammengelegt hatte. Das sorgte nach Einschätzung vieler dafür, dass die Beteiligung geringer ausfiel und die Zahl der Ja-Stimmen knapp unter dem nötigen Quorum blieb.

So jedenfalls verstand etwa der Linkspartei-Abgeordnete Klaus Lederer eine Äußerung Wowereits, wonach sinngemäß der Senat genauso wie der Energietisch als Volksentscheidinitiator einen Termin anstrebte, der die größten Chancen bot. Wowereit bestritt diese Interpretation, doch der Eindruck blieb hängen.

In welcher Form es im Parlament mit dem Stadtwerk weitergeht, blieb auch nach eineinhalb Stunden Diskussion offen. Der Grüne Schäfer und Exwirtschaftssenator Harald Wolf, Energieexperte der Linksfraktion, sprachen sich zwar für einen Sonderausschuss aus, um die Zukunft des Unternehmens, seine Ausrichtung, seine Stromgewinnung konkret und fraktionsübergreifend zu besprechen. Doch Wowereit gab sich wenig entgegenkommend. „Konstruktives Zusammenarbeiten sieht anders aus als das, was Sie heute abgeliefert haben“, fuhr er Schäfer an.

Buchholz trat später nochmals ans Rednerpult und zeigte sich enttäuscht, dass man nicht über Inhalte gesprochen habe. Stattdessen habe es „viel Klamauk und viel Theaterdonner“ gegeben. Offen ließ er, ob er damit die Opposition meinte oder Wowereit.