Aktion roter Punkt

Im Kampf gegen die Masern-Epidemie greifen einzelne Städte nun durch: In Dortmund droht einigen Schülern sogar Schulverbot. In Duisburg setzt man auf Infomaterial – und kassiert schwere Kritik

VON BORIS R. ROSENKRANZ

Beinahe hätten die roten Punkte auch noch die Klassenfahrt vermasselt. Denn nachdem sich in NRW binnen zehn Wochen rund 1.100 Menschen mit der Infektionskrankheit Masern angesteckt haben, greifen einzelne Gesundheitsämter jetzt durch.

An der Dortmunder Gesamtschule Scharnhorst etwa wurden gestern die ersten Schüler nach Hause geschickt, weil sie keine Impfung nachweisen konnten. Sollten sie auch am Montag ohne Impfpass erscheinen, müssen sie für zwölf Tage der Schule fernbleiben, sagt die stellvertretende Schulleiterin Gaby Koller. Der Grund: Kürzlich war eine Achtklässlerin der Schule an Masern erkrankt. Das Gesundheitsamt überprüfte deshalb gestern den gesamten achten Jahrgang und informierte Schüler und Eltern über Verlauf und Folgen der Krankheit (siehe Kasten). Die Klassenfahrt, die in der nächsten Woche beginnt, ist laut Koller aber nicht gefährdet.

Die Masern, seit dem Jahre 2001 in Deutschland meldepflichtig, hatten sich in den vergangenen Wochen rasend ausgebreitet. 160 der 1.100 Betroffenen mussten in eine Klinik, ein Kind wird vermutlich schwere Spätfolgen davontragen. Vor allem die Stadt Duisburg ist von der Epidemie betroffen. Dort allerdings hält man nicht viel davon, Kinder vom Unterricht auszuschließen. „Wer krank ist, bleibt ohnehin zu Hause“, sagt Pressesprecher Josip Sosic. Zwar habe man zwischenzeitlich über die Schließung einer Schule nachgedacht, nun aber zähle vor allem Aufklärung: Alle Bildungseinrichtungen hätten, so Sosic, von der Stadt Infomaterial bekommen. Was anderweitig offenbar als Nachlässigkeit aufgefasst wird. So hat der Leiter der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut, Heinz-Josef Schmitt, schwere Vorwürfe gegen die Stadt Duisburg erhoben. Wissentlich sei dort das Risiko einer Epidemie eingegangen worden, sagte Schmitt gestern. Und empfahl indirekt den Eltern erkrankter Kinder in Duisburg, Anzeige zu erstatten. Pressesprecher Sosic sieht die Schuld aber nicht bei der Stadt. „Die Ursache für die Ausbreitung liegt in der Impfmüdigkeit oder auch in der Impfverweigerung – und die geht ja wohl auf die Eltern zurück“, so Sosic.

Thomas Fischbach vom Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte hingegen sieht auch den Staat in der Pflicht. Er müsse seine „Wächterfunktion“ erfüllen und beispielsweise Impfausweise kontrollieren, so Fischbach. Eine Maserninfektion sei keineswegs harmlos. Grund zur Panik gebe es aber auch nicht. Der Mediziner sagt: „Wer sich jetzt noch impfen lässt, ist geschützt.“