Asylrecht gestärkt

EUGH Können Homosexuelle ihre Orientierung nicht offen leben, haben sie Anspruch auf Asyl

FREIBURG taz | Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat das Asylrecht von Homosexuellen in Europa deutlich gestärkt. Von ihnen kann nicht verlangt werden, dass sie in ihren Herkunftsländern ihre sexuelle Orientierung verheimlichen.

Konkret ging es um drei homosexuelle Afrikaner, die in den Niederlanden Asyl beantragt hatten, weil in ihrer Heimat homosexuelle Handlungen mit Freiheitsstrafen sanktioniert werden können. Im Senegal drohen bis zu fünf Jahren, in Uganda und Sierra Leone sogar lebenslange Haft. Doch waren die Asylanträge zurückgewiesen worden. Die Männer hätten nicht nachgewiesen, dass ihnen tatsächlich Verfolgung drohe. Auch könnten sie nicht erwarten, dass sie sich in ihrer Heimat ähnlich frei ausleben könnten wie in den Niederlanden.

Ein niederländisches Gericht bat den EuGH um Auslegung des EU-Asylrechts, das seit 2004 die nationalen Vorschriften vereinheitlicht. Dabei stützt sich das EU-Asylrecht auf die Genfer Flüchtlingskonvention von 1953. Sie gewährt einen Asylanspruch, wenn jemand wegen seiner Zugehörigkeit zu einer „bestimmten sozialen Gruppe“ verfolgt wird. Die EU Asyl-Richtlinie deutete zudem an, dass die „sexuelle Ausrichtung“ eine solche soziale Gruppe schaffen kann. Der EuGH entschied nun, dass die sexuelle Orientierung ein identitätsstiftendes Merkmal jedes Menschen darstellt. Homosexuelle bildeten zumindest dann eine abgrenzbare soziale Gruppe, wenn ihr Handeln in einem Staat als strafbar gilt. Von politischer Verfolgung könne aber erst gesprochen werden, wenn eine Strafe nicht nur im Gesetz angedroht wird, sondern auch „tatsächlich verhängt“ wird. Von Schwulen und Lesben könne nicht verlangt werden, so der EuGH, dass sie ihre Homosexualität im Herkunftsland geheim halten oder sich bewusst zurückhalten, um Verfolgung zu vermeiden. Dazu sei die sexuelle Ausrichtung für einen Mensch zu „bedeutsam“.

Auch in Deutschland hat das Asyl-Bundesamt homosexuelle Asylbewerber oft auf einen „zurückhaltenden Lebenswandel“ verwiesen. So darf künftig nicht mehr argumentiert werden. Das Urteil des EuGH überrascht nicht. Schon 2012 entschied er, dass die Ausübung einer Religion im Heimatland sichtbar sein dürfe. Es genüge nicht, dass Angehörige einer religiösen Minderheit ihren Glauben nur zu Hause praktizieren können. (Az.: C-199/12 u. a.) CHRISTIAN RATH

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