Streikwesen
: Englische Verhältnisse

Der Länderbeauftragte Hartmut Möllring und der Marburger Bund dreschen aufeinander ein wie die Kesselflicker – die Leidtragenden werden in der kommenden Woche wieder die Patienten sein. Wenn Ärzte und Pfleger gleichzeitig in den Ausstand treten und auch Krebskranke und Kinder im Wartezimmer bleiben, dürfte Möllrings Image als „harter Hund“, der die öffentlichen Kassen im Blick hat, erheblich leiden.

Kommentarvon Kai Schöneberg

Möllring ist selbst an den drohenden englischen Verhältnissen im Krankenwesen schuld. Vor einem Abschluss mit zweistelligen Zuwachsraten für die Ärzte muss nämlich der seit 13 Wochen dauernde Tarifkonflikt mit den Pflegern und Krankenschwestern vom Acker. Die kämpfen nicht um hunderte Euro mehr pro Monat, sondern gegen 1,5 Stunden Mehrarbeit ohne Lohnausgleich. Und das seit 13 Wochen, mit immer schwächerer Resonanz.

Bislang wollte Kassenwart Möllring ver.di schlicht aushungern. Nun läuft, Marburger Bund sei dank, alles auf eine Einigung für die Landesbediensteten hin. Entscheidend ist das Spitzengespräch für den öffentlichen Dienst am kommenden Donnerstag. Wahrscheinlich werden die Ministerpräsidenten am Freitag danach eine ver.di-freundliche Einigung akzeptieren, die weit von den angepeilten 40 Stunden pro Woche entfernt liegt. Ansonsten gäbe es weitere Verhandlungen auf Länderebene – das Ende der Tarifgemeinschaft. Erst danach ist der saftige Aufschlag fürs Ärzteportemonnaie verkäuflich – und einer der bizarrsten Streiks in der deutschen Tarifgeschichte zu Ende.

Berichte SEITE 2 und 22