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: Wolfsburger Wimpernschlag

Wer steigt heute aus der Fußball-Bundesliga ab: der VfL Wolfsburg oder der 1. FC Kaiserslautern? Ein Ortsbesuch ohne Antwort

Gleich hinter der VW-Arena hat man einen kleinen See angelegt. An das Wasser schmiegt sich eine Art Boardwalk, ein Holzstrand, auf dem man in der Sonne sitzen und sogar Wasserski mieten kann. Ein Surfbrett liegt auch rum, und aus den Boxen schallen gerade die Kinks: „Lola“. Es ist eine richtige Idylle. Allerdings, wie der gewiefte Kritiker sofort einwenden wird, selbstredend „künstlich.“ Gott, ja, damit ist man praktisch direkt beim VfL Wolfsburg, oder nicht?

Der VfL-Manager Klaus Fuchs sagt, der VfL sei halt „ein Klub, der gegen Klischees anzukämpfen hat“. Weswegen es ihn überhaupt nicht wundert, dass vor dem heutigen Playdown gegen den 1. FC Kaiserslautern um den Abstieg aus der Fußball-Bundesliga offenbar wenig Menschen außerhalb von Wolfsburg den VfL unterstützen.

Mitte der Woche hatte eine Fußballillustrierte angeblich sogar die Abneigung der Branche ermittelt („Liga wünscht Wolfsburg zum Teufel“). Fuchs sieht darin auch „Neid gegen Newcomer“. Was es wert ist, weiß er auch nicht, aber hinterher riefen die zitierten Ligamanager bei ihm an und sagten, sie hätten das „anders“ gemeint. Dass jedenfalls selbst der dauerkriselnde, skandalbelastete und bundesweit nicht eben umjubelte 1. FC Kaiserslautern im öffentlichen Ansehen besser da steht, zeigt, dass der Unterhaltungsbetrieb VfL Fußball GmbH den Imagetransfer für Besitzer Volkswagen und den angeschlossenen Standort Wolfsburg noch nicht hingekriegt hat.

Die Ablehnung käme ihm grade recht, sagt Trainer Klaus Augenthaler. „Das für mich eine Hilfe, was die Motivation betritt.“ Auf die Frage, warum es motivierend sein sollte, wenn einen Deutschland nicht will, antwortet er, dass Ablehnung „uns bei Bayern immer motiviert hat“.

Es ist ein häufig gepflegtes Vorurteil, dass Augenthaler gern Vergleiche zu seiner aktiven Zeit beim FC Bayern anstellt, dass aber seine Erfahrungen als solitärer Spieler bei dem solitären Siegerklub nicht auf den Alltag eines normalen Klubs zu übertragen seien. Ob das stimmt? Am Samstag ist man schlauer. Jedenfalls hat Augenthaler mit der Bemerkung nach der Niederlage in Stuttgart, seine Spieler hätten sich „dieses Endspiel verdient“, auch jene Kritiker bestätigt, die schon bei seinem letzten Arbeitgeber Leverkusen moserten, er neige dazu, die sensiblen Profis durch Zynismus zu demotivieren. „Es ist mir egal, ob man mir das als Zynismus oder Sarkasmus auslegt“, sagte Augenthaler am Donnerstag. In Wahrheit sei es „Ärger“ gewesen.

Klar ist, dass Kaiserslautern den Vorteil hat, dieses so genannte Endspiel mit einer Willensleistung noch erreicht zu haben, während der VfL es trotz mehrerer Chancen nicht verhindern konnte. Einen „Lauf“ mag Fuchs beim Gegner nicht erkennen. Er hat nachgerechnet: Rein mathematisch betrachtet hatte Wolfsburg am 22. Spieltag zwei Punkte Vorsprung – und nun noch einen.

Rein mathematisch betrachtet hat Augenthaler in 16 Spielen der Rückrunde weniger Punkte (15) geholt als der gefeuerte Vorgänger Holger Fach (18 aus 17). Nach anfänglichen Fortschritten gelang es ihm nicht, das Hauptproblem des Teams lindern zu können, den mit dem Verlust an Offensivzweikampfstärke, Kreativität und Tempo einhergehenden Verlust der Heimstärke. Zuletzt sah man beim 0:3 gegen den damaligen Mitabstiegskandidaten Mainz 05 den Unterschied zwischen einem eingespielten und im Existenzkampf geübten Team und einem bestenfalls bemühten. Dabei sollte man nicht übersehen, dass Augenthaler einen Kader geerbt hat, an dem in den letzten drei Jahren viel herumgedoktert wurde, aber ohne dass ein Stein auf den nächsten aufgebaut wurde. Zwar nennen einige Anhänger die Hilfsinnenverteidigung Schnoor und Franz „Die Mauer“, aber das ist nun wirklich Zynismus.

Trotzdem sagt Augenthaler, „der Vorteil liegt klar bei uns.“ Als Hauptgrund nennt er: „Wir spielen ja nicht gegen Juve, Milan oder Barcelona.“ Und damit hat er Recht. Kaiserslautern hat zwar dank Trainer Wolfgang Wolf aus einer scheinbar aussichtslosen Lage eine Aussicht gemacht. Trotzdem kann es sein, dass man schlechter ist als Wolfsburg. Noch schlechter. Oder gleich schlecht. Das reicht ja.

Für Wolfsburg ist es am Ende des neunten Bundesligajahrs jedenfalls das wichtigste Spiel der jungen GmbH-Geschichte. Manager Fuchs’ Strategie besteht darin, die letzten Wochen ein bisschen aufzublasen, indem er von den „Emotionen“ schwärmt, die durch die Verlustängste der Wolfsburger Bevölkerung entstanden seien. Es seien „Emotionen, die uns voranbringen“. Was man halt so sagt. Er will die Leute ranführen an den Klub, er ist sich der Bedeutung des Spiels sehr bewusst, er hat sogar zu Tricks gegriffen, um zu viele Kartenverkäufe an Lauterer Anhänger zu verhindern.

Aber als die Leuchtkugeln rausgejagt sind, steht er im Presseraum der VW-Arena und sagt: „Sie müssen auch sehen, dass die Sache nur ein Wimpernschlag in der Geschichte der Welt ist.“ Er, Klaus Fuchs, sei „gespannt, wo wir in 100 Jahren stehen.“ Tja. Unser Tipp: Platz 9.

PETER UNFRIED