Sri Lankas Waffenstillstand versenkt

Beobachter versuchen verzweifelt, den Waffenstillstand noch zu retten, nachdem tamilische Rebellen einen Marinekonvoi angegriffen haben. Rebellen haben offenbar kein Interesse an Verhandlungen mehr und werfen Beobachtern Parteilichkeit vor

AUS DELHI BERNARD IMHASLY

Nach einem Seegefecht vor der Nordküste Sri Lankas mit mindestens 70 Toten am Donnerstag hat sich gestern die Beobachtermission SLMM um Rettung des Waffenstillstands bemüht. Deren Chef, der schwedische Generalmajor Ulf Henricson, reiste von der Hauptstadt Colombo aus zu Gesprächen in das Gebiet der Tamil-Tiger-Rebellen (LTTE) im Norden der Insel. In Kilinochi wollte der SLMM-Chef mit dem Führer des politischen LTTE-Flügels, S. P. Thamilselvan, sprechen. Die SLMM hatte die Rebellen für den schwersten Bruch des vierjährigen Waffenstillstands verantwortlich gemacht. Umgekehrt warf Thamilselvan in einem offenen Brief den Beobachtern Parteilichkeit vor.

Am Donnerstag hatten fünfzehn LTTE-Boote einen Konvoi der srilankischen Marine angegriffen, der Soldaten vom Osten in den Norden bringen sollte. Eines der Kanonenboote, dass das Transportschiff der Marine begleitete, wurde beim Selbstmordangriff eines Boots der Tamil Tigers gerammt und sank mit diesem. Doch es gelang den Angreifern nicht, an das Transportschiff heranzukommen. Vielmehr wurden sieben Rebellenboote ausgeschaltet.

Neben 17 Soldaten starben mindestens 55 Rebellen. Es war nicht klar, ob anschließende Vergeltungsschläge der Luftwaffe gegen Landziele der LTTE weitere Todesopfer forderten. Die LTTE warf der SLMM vor, die Luftangriffe nicht verurteilt zu haben, und behauptete, die Marine hätte die LTTE-Boote angegriffen. Auf dem Truppentransporter waren jedoch SLMM-Mitglieder gewesen. Zuvor hätten die Tamil Tigers die SLMM sogar davor gewarnt, ihre Beobachter mitfahren zu lassen, sagte SLMM-Sprecherin Helen Olafsdottir empört.

Die LTTE hat laut Waffenstillstandsabkommen kein Recht, ihre Schiffe auslaufen zu lassen, da nur die Regierung die Luft- und Meereshoheit ausüben darf. Olafsdottir appellierte an die Regierung, sich nicht provozieren zu lassen und „so viel Zurückhaltung wie möglich“ zu üben.

Das Gefecht stärkt den Verdacht, dass die LTTE kein Interesse hat, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Allein im April starben laut SLMM fast 200 Menschen, meist durch Sabotageakte der LTTE. Die Opfer unter den Tamilen gingen meist auf das Konto von Vergeltungsschlägen der Luftwaffe. Am letzten Wochenende legte LTTE-Unterhändler Anton Balasingham den Grund für das Verhalten der Tamil-Tigers offen: Solange die Regierung den abtrünnigen LTTE-Kommandanten Karuna im Osten gewähren lasse, seien Friedensverhandlungen sinnlos. Karuna kennt als früherer Regionalkommandant der LTTE deren Infrastruktur wie Taktik genau. Mit seinen Anschlägen auf LTTE-Kader bringt er die Organisation im Osten in Bedrängnis.

Die Regierung behauptet, sie gebe Karuna keine Protektion, da er nicht aus dem Regierungsgebiet heraus operiere. Die meisten Beobachter in Colombo glauben das nicht. Denn gerade in einem dreckigen Kleinkrieg wie dem gegenwärtigen ist Karuna für das Militär von unschätzbarem Wert.