Der Blueprint des Erfolgs

POP Ein wegweisendes Album? Na ja! Aber mit der Wiederveröffentlichung des Debüts der Rainbirds hat man nach 25 Jahren gleich auch wieder ihren Hit „Blueprint“ im Ohr

Der Rest des Albums: ein solider, selten überraschender Funk-Pop

VON THOMAS WINKLER

Es fallen jetzt überall so große Worte. Worte wie bahnbrechend. Oder stilprägend. Wegweisend. Zeitlos. Ja, es wird gerade allerhand geschrieben. Auch, dass damals, vor 25 Jahren, als „Rainbirds“ von den Rainbirds erschien, Musikgeschichte geschrieben wurde. So fühlt sich das an. Angeblich und heute. So steht es jedenfalls überall.

Der Anlass der Erinnerung ist klar. Pünktlich zum Jubiläum, das so ein Vierteljahrhundert nun mal ist, erscheint das Debüt der Westberliner Band um die Sängerin Katharina Franck in einer schicken, kräftig aufgemotzten Wiederveröffentlichung. Aus der einen Vinylplatte von damals sind nun zwei CDs und eine DVD geworden. Der zusätzliche Platz wird gefüllt mit Demoversionen und Liveaufnahmen, darunter eine Coverversion des Songs von Tom Waits, nach dem sich die Band einst benannt hat.

Auf der DVD zu sehen ist das Konzert der Rainbirds auf der Radrennbahn Weißensee im Rahmen des berühmten „5. Berliner Rocksommers der FDJ“, als die DDR-Führung 1988 ein paar Devisen springen ließ, um Stars aus dem Westen nach Ostberlin zu bringen. Dieser Auftritt war tatsächlich legendär. Plötzlich schienen die Rainbirds, bei denen kurz zuvor der spätere Ärzte-Bassist Rodrigo Gonzalez eingestiegen war, so wichtig wie Bruce Springsteen, James Brown oder Joe Cocker, die geholt worden waren, um die DDR-Jugend ruhigzustellen, aber bekanntlich eher das Gegenteil erreichten.

Zeitlos ist der Hit

Aber sonst? Es heißt zwar von den Achtzigerjahren, dass die, die sich noch an sie erinnern, damals nicht dabei gewesen sein können. Aber so getrübt kann die Erinnerung gar nicht sein, als dass man nicht doch ziemlich sicher sagen kann: Nein, die Rainbirds haben keine Musikgeschichte geschrieben, sondern bloß ein ganz hübsches Album herausgebracht, das ein ziemlich großer kommerzieller Erfolg wurde, aber garantiert nicht wegweisend, bahnbrechend oder stilprägend war.

Bestenfalls zeitlos ist das Album, ein kleines bisschen zumindest. Und zwar in Gestalt von „Blueprint“. Das ist, nun also auch remastered nachzuhören, ein Hit. Der war das Lied damals, nicht nur in Deutschland, der wäre er auch heute. Denn „Blueprint“ hat alles: eine eingängige Melodie, die man schon beim ersten Mal mitsingen kann, ein flottes Gitarrenriff, das sich im Ohr festbeißt, einen sommerlich leichten Rhythmus, der direkt in die Beine geht, und nicht zuletzt einen Text, den jeder intuitiv versteht, ohne ihn wirklich verstanden haben zu müssen. Aber man muss ja auch gar nicht genau wissen, warum Frau Franck mit einer Blaupause ihres Liebhabers um eine Ecke schleicht, wenn man sich auch nach 25 Jahren noch sehr gut erinnern kann, mit welch glockenheller Stimme sie damals sang: „I sneak around the corner with a blueprint of my lover.“

Der Rest des Albums hat allerdings nicht einmal annähernd diese Qualitäten aufzuweisen. Es ist meistenteils solider, selten überraschender, aber einigermaßen leichtfüßiger Funk-Pop, der zwar klingt, als möchte er Hit sein, aber die letzten Konsequenzen, also vor allem eine gewisse belanglose Eingängigkeit, scheut. Dass Katharina Franck schon damals anderes im Sinn hatte als Mainstream-Pop, ist also bereits auf diesem Album zu hören, das deshalb heute bisweilen arg unentschieden klingt.

Noch deutlicher ist das, was Franck eigentlich wollte, zu spüren in den Demos, die zum Bonusmaterial gehören. Diese frühen, von der Sängerin und Gitarristin im Alleingang eingespielten Skizzen zeigen Franck deutlich an Art-Rock und New Wave geschult. In diesen Demos sind bereits die Ausflüge ins Kunstliedhafte angelegt, mit denen sich Franck zum Teil schon parallel zu den Rainbirds, vor allem aber nach deren Auflösung 1999 vornehmlich beschäftigte.

Dass ihre Solokarriere, die immerhin fünf Alben unter eigenem Namen und viele mehr in verschiedenen Konstellationen umfasst, nicht annähernd so erfolgreich verlief wie der Sommer 1988, das erklärt sich leicht durch die sehr viel sperrigere Musik. Franck vertonte Rilke, überschritt immer wieder die Grenze zum Hörspiel und arbeitete mit FM Einheit von den Einstürzenden Neubauten zusammen.

Die mittlerweile 50-jährige Franck hat sich also jahrelang sehr bewusst ferngehalten von jener Sorte Pop, der ihr einst ihren großen Erfolg beschert hatte. Deshalb mag es musikalisch zwar kaum nachvollziehbar, aber aus kommerziellen Gründen natürlich verständlich sein, dass sie die Rainbirds reformiert hat – wenn auch mit Bela Brauckmann am Schlagzeug und dem Elektronikmusiker Gunter Papperitz, die absolut nichts mit der Vergangenheit der Band zu tun haben. Im kommenden Jahr soll das neue Album der neuen Rainbirds erscheinen. Bis dahin kann jeder selbst entscheiden, wie bahnbrechend das Debüt der alten Rainbirds denn nun wirklich gewesen ist.

■ Rainbirds: „Rainbirds 25th Anniversary Deluxe Edition“ (Universal)