Skulpturen in Büro-Landschaft

Geschmückte Pfähle und Lachen roter Farbe: Einen Sommer lang arbeiten sich 30 Künstler an der City Nord ab. Seit gestern regen ihre Arbeiten zum „Denken in andere Dimensionen“ an

von Petra Schellen

Ihr Image ist ganz schön schlimm. Kein schmeichelhafter Ruf eilt der City Nord voraus, und reichlich trostlos ist, was man dort vorfindet: Büro-Hochhäuser mit Menschen drin, die sich mittags auf öden Betonplätzen räkeln. Im Sonnenlicht gleißende Betonplatten. Ein paar Kirschbäume, die aber zur Kleingartenkolonie nebenan gehören. Durch die Lauben irren Anzugträger, getrieben von der Hoffnung auf Erholung.

Dabei war die City Nord so gut gemeint, damals, als Ende der 50er Jahre Hamburgs Oberbaudirektor Werner Hebebrand die Idee einer Bürostadt entwickelte: Arbeiten pur sollte man dort, und in den Pausen sich erholen. Ersteres ist gelungen, Letzteres nur eingeschränkt: Wenig gemeinsam haben die Grünflächen hier mit dem benachbarten Stadtpark; allzu brav wirkt etwa der baumbestandene „Märchenwald“ am Jahnring.

Und doch haben sich jetzt ein Galerist und ein Kurator, unterstützt von der Grundeigentümer-Interessengemeinschaft City Nord, entschlossen deren Grünflächen zu verschönern. Nur für diesen Sommer zwar – aber das gehört, so Kurator Rik Reinking, zum Konzept. „Wir wollen die City Nord beleben“, sagt der Kunstsammler, der für das gestern eröffnete Projekt „sculpture@CityNord“ Künstler verschiedener Generationen zusammenholte. Er arbeite „mit einem erweiterten Skulpturbegriff: Die Kunstwerke können drei Millimeter hoch sein, sie können in die Erde hineinführen oder aus ihr heraus“, sagt Reinking. „Sie müssen jedenfalls nicht, wie sonst üblich, frei in der Landschaft stehen.“

Einer Fahrradunterführung an der Alster gleicht da die Holz-Installation Jan Köchelmanns: Wie eine Schlange kriecht sie aus einem der Wälle hervor. Nicht weit davon eine Tür, flach auf die Erde montiert von Jimmie Durham. Öffnen lässt sie sich nicht: „Ist abgeschlossen!“ ruft der Ausstellungsmacher. „Das soll doch bloß eine Anregung sein: Warum nicht mal den Blickwinkel ändern und in andere Dimensionen denken?“

30 internationale Künstler hat Reinking für das Projekt ausgewählt; die Idee stammt vom Galeristen Peter Borchardt. Es habe ein bisschen Mühe gekostet, die Grundeigentümer-Gemeinschaft zu überzeugen, sagt Reinking. Das habe aber nicht an der Radikalität der Werke gelegen. Die Grundeigentümer verstünden eben mehr von Immobilien als von Kunst. Trotzdem habe es eine „sinuskurven-artige Annäherung“ gegeben.

So spielen die Künstler jetzt also auf der Wiese und in den Bäumen. Dezidiert politisch sind ihre Arbeiten kaum: Feenstühle aus Stahl hat George Lappas in die Bäume gehängt. Wie Flugzeugsitze sehen sie aus. Mit glitzernden Kronleuchtern hat dagegen Sonja Vordermaier Laternen- und andere Pfähle bestückt. Anderswo fordern Matthias Bertholds Schilder: „Stellen Sie nichts dar!“

„Die Kunst spielerisch entdecken“, sagt Reinking, „das scheint mir der beste Zugang zu sein. Etliche Passanten haben schon vorbeigeschaut.“ Auch die Grundeigentümer? „Ja, aber nicht zur Kontrolle. Täten sie das, würde ich den Job hier nicht machen“, betont der Kurator. „Außerdem bin ich ehrlich angetan von dem Gelände hier.“

Spricht‘s, blickt entzückt auf die umliegenden Hochhäuser und beginnt von den künstlichen Bodenwällen und Unterführungen schwärmen. „Die Brücke dort zum Beispiel – vollkommen nutzlos! Ist doch gar kein Wasser da!“ Eine riesige Lache roter Farbe hat Rainer Splitt da jetzt hingeschüttet. „Ein exzellentes Beispiel für die Auseinandersetzung des Künstlers mit dem Ort“, findet Reinking. Und die Farbe geht hinterher auch problemlos wieder ab.

bis 24. 9.  zwischen Mexikoring und New-York-Ring. Info: www.sculpture-CityNord.de