Die Schule wird Privatsache

Viele Eltern schicken ihre Kinder lieber auf eine teure Privatschule als auf die staatliche Lehranstalt. Auch, weil Privatschulen spezielle Angebote machen, sagt der Direktor der Privaten Kant-Schulen

Interview ALKE WIERTH

taz: Herr Wegener, warum finden offenbar immer mehr Eltern Privatschulen attraktiv?

Andreas Wegener: Viele Eltern gehen nicht mehr selbstverständlich davon aus, dass die staatliche Schule um die Ecke ein gutes Bildungsangebot macht. Deshalb setzen sie sich verstärkt mit Alternativen auseinander.

Verstärkt das nicht die Segregation in Schulen: hier die Kinder der armen, dort die der wohlhabenden Familien?

Entscheidend für die Schulwahl der Kinder sind der Bildungsstand und das Bildungsinteresse der Eltern. Mit anderen Worten: Eltern mit hohem Bildungsstand und -interesse gucken immer, in welche Schule sie ihr Kind schicken – egal, ob staatlich oder privat.

Aber Privatschulen kosten Schulgeld.

Alle Privatschulen haben Stipendien, auch die mit hohem Schulgeld. Dadurch haben auch Kinder aus Familien mit geringem oder ohne eigenes Einkommen Chancen. Das Grundgesetz verbietet soziale Aussortierung. Aber die Frage des Schulgelds können nicht die Schulträger alleine beantworten. Die Politik stürzt die Schulträger in dieses Dilemma. Gäbe es die freie Schulwahl und wären staatliche und private Einrichtungen materiell gleich ausgestattet, müssten auch die privaten Schulen nicht unbedingt Schulgeld erheben. Und solange es anders ist, zahlen Eltern für private Schulen doppelt: als Steuerzahler und über das Schulgeld.

Wie viel kostet ein Platz an einer Privatschule denn die Eltern?

Zwischen 100 und 700 Euro im Monat.

Gibt es an Ihren Schulen, den Privaten Kant-Schulen, Kinder aus eher benachteiligten wie einkommensschwachen oder eingewanderten Familien?

Wir haben auch Schüler aus Flüchtlingsfamilien. Und wir schreiben wie alle Privatschulen jedes Jahr Stipendien aus. Uns kontaktieren Eltern jeder sozialen oder ethnischen Herkunft, die von unserem Bildungsangebot gehört haben und prüfen möchten, ob es das richtige für ihr Kind ist.

Gibt’s da auch bei Ihnen manchmal interkulturelle Kommunikationsprobleme? Oder gibt es den viel beschworenen gemeinsamen Wertekanon, der das verhindert?

Wir bemühen uns darum, einen gemeinsamen Wertekonsens aufzubauen, der über die kulturellen Hintergründe hinaus trägt. Dennoch gibt es solche Konflikte auch an unseren Schulen. Sie werden im Unterricht bearbeitet, wobei der respektvolle Umgang miteinander an erster Stelle steht. Kinder lernen Rassismus ja nicht in der Schule, sondern zu Hause. Die Schule muss darauf reagieren und versuchen, ihnen das abzugewöhnen. Ob sie dazu tatsächlich in der Lage ist, ist eine andere Frage.

Was machen private Schulen anders als staatliche?

Der Unterschied liegt in der Wahrnehmung der Eltern. Die machen sich heute – anders als früher – auf die Suche. Die freien Träger machen ganz bestimmte Angebote und finden deshalb möglicherweise die Klientel, die genau danach sucht.

Genau das machen jetzt auch staatliche Schulen. Trotzdem nimmt das Interesse an Privatschulen zu.

Das hat vielleicht auch etwas mit einer Verlässlichkeit zu tun, die man an privaten Schulen unmittelbarer erlebt als an staatlichen. Und mit der Hoffnung oder Wirklichkeit, an freien Schulen einen besseren Zugang oder mehr Mitwirkungsmöglichkeiten zu haben. Man ist Kunde und bezahlt.

Ist der Umgang zwischen Eltern und Lehrpersonal anders?

Der freie Schulträger existiert, weil es Eltern gibt, die sich für diese Schule entscheiden. Also ist die Schule auf Kooperation mit den Eltern angewiesen. Das ist ein Konstruktionsunterschied.

Was würden Sie staatlichen Schule raten?

Die Schulen sollen sich trauen, sich zu öffnen. Die Vorfälle um die Hoover- und später die Rütli-Schule haben auch deshalb so viel Aufmerksamkeit bekommen, weil sich die meisten Menschen sonst eher wenig für das Thema Schule interessieren. Schule wird nicht als das betrachtet, was sie eigentlich sein sollte: der Mittelpunkt der Nachbarschaft. Jeder außerhalb der Schule hat etwas beizutragen. Man muss die Klassentüren öffnen.