Ringen um Bruchteile

Der Amerikaner Justin Gatlin darf sich als der schnellste Mann der Welt fühlen. Doch sein Konkurrent, Asafa Powell aus Jamaika, will noch schneller als 9,76 Sekunden sprinten

DOHA dpa ■ Nach seinem formidablen Sprint im Wüstenwind drehte Justin Gatlin noch eine Ehrenrunde, ließ sich von den Zuschauern feiern und küsste die elektronische Anzeigetafel, auf der die magische Zeit verzeichnet war: In 9,76 Sekunden hatte der 24 Jahre alte US-Sprinter am Freitagabend in Doha/Katar den prestigeträchtigsten Weltrekord der Leichtathletik in seinen Besitz gebracht. „Es ist der Wahnsinn, ich hab ihn! Nun bin ich der Beste der Besten, denn ich bin Olympiasieger, Weltmeister und Weltrekordler“, sagte der 100-Meter-Läufer. In Deutschland sorgte indes ein Altmeister für die Bestleistung des Wochenendes: Der fünfmalige Weltmeister Lars Riedel (38) ließ bei seinem Saisoneinstand in Wiesbaden den Diskus auf 69,38 Meter segeln. Zuletzt hatte er 2003 in Halle (Saale) die 69-Meter-Marke übertroffen.

Den drittbesten Wurf seiner Karriere landete der Chemnitzer bei widrigen äußeren Bedingungen mit Gewitter und kühlen Temperaturen. „So weit habe ich seit Jahren nicht geworfen“, sagte Riedel, der sich hinter dem Esten Alexander Tammert (70,82) und Virgilius Alekna (Litauen/69,47) an die dritte Stelle der Weltjahresbestenliste schob. Zuvor hatte Weltmeisterin Franka Dietzsch aus Neubrandenburg 64,80 Meter weit geworfen. „Bei den bescheidenen Verhältnissen bin ich durchaus zufrieden“, sagte die Werferin.

Nicht einmal elf Monate hielt die alte 100-Meter-Bestmarke von Asafa Powell: Gatlin rannte beim Super-Grand-Prix im Scheichtum am Golf noch eine Hundertstelsekunde schneller als Powell in Athen. Der Jamaikaner ließ Gatlin jedoch gleich wissen: „Der Weltrekord ist nur verliehen.“ Für den neuen Frontrunner war es das perfekte Rennen. „Ihr werdet künftig noch einige solcher Vorstellungen von mir sehen“, kündigte der Doppel-Weltmeister von Helsinki an. Vielleicht schon in vier Wochen: Am 11. Juni kommt es im englischen Gateshead zum Duell zwischen Gatlin und Powell.

Bei 28 Grad Celsius erlebten die rund 10.000 Zuschauer unter Flutlicht eine Sternstunde der Leichtathletik: Gatlin lag nach perfektem Start bis zur Hälfte des Rennens gleichauf mit seinem Landsmann Terrence Trammell – auf den letzten 40 Metern zog er noch einmal an und rannte die Konkurrenz in Grund und Boden. Der laue Wüstenwind war ihm mit 1,7 Meter pro Sekunde Schubkraft ebenso behilflich wie die Anfeuerungsrufe der Kataris. „Meine Beschleunigung war heute Abend phänomenal“, sagte der Schützling von Trainer Trevor Graham und tönte: „Ich kann noch schneller.“ Eine 9,73 – selbst in einer Saison ohne Olympia und WM – scheint für ihn nicht utopisch zu sein.

Als Zugabe darf sich der neue Weltrekordler über einen Bonus von 130.000 Dollar freuen: Der Weltverband IAAF lobte 100.000 Dollar aus, der Verband Katars legte 30.000 drauf.

Seine Karriere hatte Gatlin an der Highschool als Hürdensprinter begonnen. Doch dann räumte er alle Hindernisse aus dem Weg und blieb am 15. August 2003 in Zürich in 9,97 zum ersten Mal unter 10 Sekunden. Aufgefallen war er aber schon zwei Jahre zuvor: Bei einer Dopingkontrolle war er positiv auf Amphetamine getestet und für ein Jahr gesperrt worden.

Langsamer als Gatlin ließ es André Höhne beim Geher-Weltcup in La Coruña/Spanien angehen, dennoch erfüllte er die EM-Norm des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). Der WM-Vierte aus Berlin landete am Samstagabend im 20-Kilometer-Wettbewerb in 1:21:52 Stunden zwar nur auf Rang 16, blieb aber 1:08 Minuten unter dem Richtwert für die Titelkämpfe Anfang August in Göteborg. Den Sieg erkämpfte sich Lokalmatador Francisco Fernandez (Spanien) in starken 1:18:31 Stunden vor dem Weltmeister und Weltrekordler Jefferson Perez aus Ecuador (1:19:08).